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Warmshowers in Israel

Aktualisiert: 14. Apr. 2023

Da Israel extrem teuer ist, vor allem in puncto Unterkunft suchten wir uns Warmshower Gastgeber, die es zum Glück in großer Anzahl gab. Das sind Einheimische, meist selbst leidenschaftliche Radfahrer und bieten daher für Reisende eine "warmshower" (= warme Dusche) an sowie oftmals auch einen Schlafplatz. Aber was wir in Israel an Gastfreundschaft angeboten bekamen, überwältigte uns. Zuerst waren wir bei Avinoam, selbst ein begeisterter Radfahrer, der auch dieses Jahr selbst wieder auf große Europatour geht. Wir durften in seinem wunderschönen Haus so lange bleiben, wie wir wollten. Wir hatten praktisch eine separate Wohnung im Keller, inklusive Heimkino und Netflix. Seine 6 Kinder waren schon alle aus dem Haus, so durften wir neben den vielen Hunden und Katzen, deren Platz einnehmen.

Avinoam nahm uns mit ins Schwimmbad und bot uns an, die Radkartons für die Flugreise zu organisieren. Wir unternahmen eine Wanderung mit ihm und er erklärte viel über die Geschichte des Ortes. Er wohnte in Maccabim, ein Ort auf einem Streifen, der direkt an Palästina grenzt. Das Viertel glich wie in Deutschland einer wohlhabenden Wohngegend, mit tollen Häusern und Gärten, und drumherum sehr viel Natur. Morgens frühstückten wir meist zusammen und an einem Abend wurden wir sogar zum Essen eingeladen. Es war ein Frühstücksrestaurant, denn laut Avinoam war auf einem Teil der Welt immer Frühstückszeit. An dem letzten Abend vor unserer Abreise durften wir sogar beim großen Familienessen teilnehmen, welches seine Frau Diana zauberte. Es schmeckte ganz hervorragend und wir durften zwei seiner liebenswerten Töchter kennenlernen. Ein ganz besonderer Abend, so nah mit Einheimischen im Austausch zu stehen. Avinoam und Diana erklärten uns auch viel über die derzeitigen politischen Unruhen. Insbesondere waren die beiden viel damit beschäftigt, Demonstrationstafeln und Sprüche zu basteln, die für die Demonstrationen gegen die geplante Justizreform eingesetzt wurden. Sie sehen die neue Justizreform als Gefährdung ihrer Demokratie. An dem Tag, als die Justizreform verschoben wurde, lief sogar der Polizeichef aus Tel Aviv ganz vorne bei den Demonstrationen mit! Sowas sieht man selten. Wir erfuhren außerdem, dass über die Sinai Insel viele IS Kämpfer nach Israel gekommen sind, deswegen wurde damals eine große Mauer gebaut und seitdem sei es ruhiger geworden. Ihr erinnert euch sicher an den Beitrag Bikepacking Fail auf dem Sinai, wo wir versucht haben, auf der Sinai Halbinsel Rad zu fahren meinte wir hatten überaus Glück, dass die Polizei uns auf dem Sinai nicht fahren ließ. Hätte uns der IS erwischt, wären wir Gegenstand einer Lösegelderpressung geworden. Denn durch den Friedensvertrag mit Ägypten von 1979 ist auf der Halbinsel kein Militär mehr erlaubt und die Polizei allein bekommt die IS Aktivitäten mehr schlecht als recht in den Griff.


Wir hatten insgesamt noch 7 Tage und wir wollten noch unbedingt Tel Aviv sehen, ich war dort schon im Jahr 2019 und schwärmte noch immer von dieser Stadt. Sie gehörte auf alle Fälle zu den 10 teuersten Städten der Welt. Daher hatten wir auch hier wieder für 2 Nächte eine Warmshower Unterkunft. Ein junggebliebenes Ehepaar im Ruhestand, welches liebend gerne Fremde aufnahm und diese kulinarisch verwöhnte: Arie und Evelin. Die beiden Unterkünfte lagen nur 45km voneinander entfernt, jedoch regnete es sehr stark an dem Tag, an dem wir los wollten. Für uns etwas ganz Neues, denn wir hatten seit fast 3 Monaten keinen Regen mehr erlebt.

Unsere Route führte uns leider durch einen Wald, wirklich keine gute Idee. Die Räder waren ein einziger Schlammhaufen. In Tel Aviv machten wir noch einen wichtigen Abstecher zu Decathlon, denn eine verlorenen gegangene Wanderhose musste ersetzt werden. Danach ging es dann zu Arie und Evelin, wo wir erstmal unsere Räder im Garten abspritzen durften. Die beiden haben uns so herzlich wie eigene Kinder aufgenommen, wir hatten wieder den kompletten 1. Stock mit eigenem Bad für uns. Die beiden lebten größtenteils vegan und bekochten uns abends und morgens damit. Es war einfach nur grandios, selten hatten wir so ausgefallenes, gesundes und leckeres Essen. Am zweiten Tag machten sie mir zuliebe ihr geliebtes Shakshuka, eines der Nationalgerichte hier. Evelin hatte das Kochen erst im Ruhestand erlernt, davor war sie ein Workaholic, der essen nicht wichtig war. Jetzt machte sie selbst sogar Snickers und veganen Käse. Ständig kochte und backte sie etwas neues und wir mussten alles testen - und es war hervorragend.


Einen Tag machten wir Tel Aviv zu Fuß unsicher, besuchten die Altstadt Jaffa mit dem schönsten Flohmarkt, den wir je gesehen haben und schlenderten die schöne Promenade entlang, welcher voller neuwertiger Fitnessgeräte ist. Es ging noch auf Empfehlung von Arie zu einem legendären Humusladen zum Mittagessen. Wir sind beide keine großen Humus - Fans, aber dieser überzeugte uns. Er war sehr cremig und lecker. Danach ging es noch über den Camel Market, wo wir das leckere Nachtischgericht Kanefe aßen. Der Rückweg war mit dem Bus geplant, was sich als schwieriger als gedacht herausstellte. Wir befürchteten schon, dass wir ein sündhaftes Taxi nehmen mussten. Es war ein riesen Gebäude, fanden keine Informationen und es gab 6 verschiedene Etagen mit jeweils Ausgängen auf zwei Seiten. Unsere Nummer war nirgends angeschrieben und man schickte uns auf eine Seite. Dort waren nur 3 Busse, die nur mit dem Kopf schüttelten als wir die Zielhaltestelle nannten. Dann hieß es, hier würde kein Bus für uns fahren, aber wir kamen nicht mehr auf die andere Seite, weil sich die Türen nur von innen öffnen ließen. Also mussten wir warten bis ein Passant vorbei kam, welcher uns die Tür öffnete. Wir wechselten wieder auf die andere Seite und wie durch ein Wunder sahen wir unsere Nummer auf einem der Busse und stiegen gerade rechtzeitig ein. Zufrieden ging es dann wieder in den schönen Vorort.

Zuhause wurde dann schon für uns gekocht. Am Abend zeigten sie uns noch den "Safe-Room" des Hauses, sozusagen ein kleiner Bunker. Dort müssen die beiden in 90 Sekunden drin sein, wenn der Bombenalarm tönte. Für uns wirklich schockierend. Die beiden hatten im Wohnzimmer auch aufgesammelte Bomben- und Abwehrraketenreste aus dem Garten als Deko, wirklich beängstigend. Wir fragten, was man wohl tat, wenn man bei Alarm nicht zu Hause war, z. B. im Auto. Dann muss man wohl anhalten und sich neben dem Auto auf die Straße legen und den Kopf dabei bedecken. Gänsehautgefühl. Ansonsten verbrachten wir zwei nette Abende mit den beiden, und auch sie schimpften über den verhassten Premierminister Netanjahu.

Generell hat man in Israel einen sehr hohen Lebensstandard, ich würde meinen, fast höher als in Deutschland. Das Gesundheitssystem ist deutlich besser, denn es wird enorm viel investiert, dass die Menschen gesund leben. Enorm viele kostenlose Angebote Sport zu treiben, überall Fitnessgeräte in den Parks (inklusive Trinkwasser + Personenwaage) und sehr viel Vorsorge bei Ärzten. Dadurch haben Israelis eine sehr hohe Lebenserwartung. Avinoam meinte, dadurch dass sie eine sehr alte Bevölkerung haben, hätten sie ähnlich schlecht dagestanden wie Italien, als Corona durch das Land fegte. Aber das Land war ja am schnellsten durchgeimpft und konnte somit anscheinend eine solche Katastrophe wie in Italien entgehen (das ist nur eine Meinung, keine Daten und Fakten, aber wir fanden sie zumindest nennenswert). Eigentlich vermissten wir in Isreal nichts, man bekommt hier alles und es ist praktisch wie in Europa. Für uns ein krasser Wechsel zu den arabischen Länder. Und die Klamottenstile (wieder kurze Hosen, Männer die oben ohne am Strand joggten) und Paare die sich in aller Öffentlichkeit küssten, hatten wir schon lange nicht mehr gesehen. Am letzten Tag in Tel Aviv bot uns Arie an, ihn bei seiner wöchentlichen Radtour durch Tel Aviv zu begleiten. Es ging richtig früh morgens los und er stellte sich als klasse Reiseführer heraus und hielt immer wieder an, um uns unterschiedliche Dinge zu erklären. Beispielsweise war kurz vor der Stadt ein riesen Areal an Wald und Landwirtschaft - zu Lehrzwecken für die Schüler. In Israel erfahren die Schüler somit ein umfassenderes Lehrangebot über die Natur. Hier wird den Kindern dann nämlich von klein auf beigebracht, wo unser Essen herkommt und welche Arbeit mit deren Ernte und Verarbeitung verbunden ist. Zudem sahen wir noch ein paar heruntergekommene Gebäude, welchen den Bewohnern dann kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.

Wir fuhren einmal die ganze Promenade bis in den Norden ab, aßen dann leckere Vesperbrote, die Arie für uns zubereitet hat und machten noch ein Mittagsschläfchen in der Sonne, welcher leider im Sonnenbrand endete. Tel Aviv hat ein ganz besonderes Flair, es ist so Multi-Kulti und offen. Wir fühlten uns in der Stadt richtig wohl und obwohl wir keine Städtefans sind, ist Tel Aviv eine der schönsten Städte, die wir kennen.

Nach der Tour gab es noch herzhafte Muffins für uns und nach der Verabschiedung düsten wir bei Sonnenschein zurück nach Maccabim zu Avinoam. Es war mal wieder Verpacken für die Flugreise nach angesagt. Das geschah in Avionam's schönem Garten und wurde gleich mit einer intensiven Radpflege verbunden. Nach getaner Arbeit machten wir noch einen kleinen Spaziergang und gönnten uns Kaffee und Kuchen für ganze 30€! Netterweise brachte uns Avinoam noch zum Flughafen, wir sind weiterhin in Kontakt und hoffen ihn irgendwann nochmals auf der Straße mit dem Rad zu treffen.

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