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  • AutorenbildMarc

Westjordanland

Nachdem wir das Land Jordanien in vollen Zügen genießen konnten, wollten wir nach Jerusalem und vorher nochmal zum Toten Meer, nur eben auf der westlichen Seite. Daher passierten wir die Grenze Richtung Jericho über die Allenby Brücke, auch bekannt als König-Hussein-Brücke. Auf die bevorstehenden Kontrollen waren wir mental schon vorbereitet. So durften wir auf der jordanischen Seite wieder einmal alles von unseren Fahrrädern abbauen und aufs Band legen, damit alles gründlich durchleuchtet werden kann. Wir wussten auch, dass eine Ausreisegebühr fällig wird und haben aber angenommen, dass wir an so einem Grenzübergang mit Kreditkarte oder US-Dollar bezahlen können. Natürlich mit Gebühren. Hinzu kam dann, dass es absolut nicht erlaubt war, den Grenzübergang mit dem Fahrrad zu passieren und so mussten wir wieder einmal die Fahrräder samt Gepäck in einen Bus stopfen.

Der Busfahrer wollte uns neben den Rädern auch noch jedes einzelne Gepäckstück berechnen. Das fanden wir schon sehr dreist, da wir nur sehr kleine Packtaschen haben. So weigerten wir uns zu zahlen und diskutierten so lange, bis wir uns auf einen niedrigeren Preis einigen konnten. Insgesamt kostete uns der jordanische Grenzübergang am Ende zusammen 60 USD. Mit dem Bus ging es über den Jordan, den man kaum erkennen konnte, da er fast nur noch einem Rinnsal gleicht. Der Busfahrer teilte den Insassen mit, dass wir auf gar kein Fall Fotos machen sollen, da man sonst auf uns schießen würde. Wir wurden samt Rädern abgeladen und stellten uns darauf ein, dass die gleichen Kontrollen wieder auf uns zu kommen. Tatsächlich waren alle ziemlich überfordert, als mit den Fahrrädern vor ihnen standen. Wir stehen am Check-In, während die Sicherheitsbeamten und Gepäck-Schubser auf Hebräisch diskutieren, was sie mit uns machen sollten. Ein Typ, der offensichtlich was zu sagen hatte, checkte nochmals unsere Passports und schickte uns mit den Rädern schließlich an der langen Schlange vorbei direkt zu den Gepäckscannern. Was für ein Glück für uns: Taschen wurden entfernt und landeten samt Fahrräder auf dem Band.

Nachdem wir unsere Passstempel in Form eines separaten Zettels bekommen hatten, waren wir erleichtert, dass wir endlich wieder aufs Rad und weiterfahren konnten. Diese Fahrt wurde nach 100 Metern wieder gestoppt. Es sei nicht erlaubt, die restlichen 1,5 km in dem Grenzbereich mit dem Fahrrad zu fahren. Man muss dafür ein Taxi nehmen und natürlich wieder bezahlen. Wieder völlig genervt suchten wir einen Taxifahrer, der uns das kurze Stück rüberbringen würde und Platz für die Fahrräder hätte.

Einer war bereit uns zu helfen und fragte, ob wir die Räder zusammenfalten könnten. Julia antwortete im leicht genervten Ton, dass er es ja mal versuchen kann, wenn er stark genug ist. Wieder einmal mussten wir (fast) alle Taschen ab machen, die wir vor 5 min wieder dran gemacht hatten. Die Fahrräder guckten hinten raus und so ging es mit offener Kofferraumklappe im Schleichtempo durch den Grenzbereich. Kurz dahinter wurden wir auf einem Parkplatz wieder rausgelassen und mussten für die kurze Taxifahrt nichts bezahlen. Das war schon enorm freundlich, weil der Taxiverwalter sah, wie entnervt wir von diesem System waren und er nicht wie so oft sich einen Vorteil daraus schlagen wollte. Endlich ging es auf dem Rad weiter und wir wollten noch ca. 40 km bis zu unserem geplanten Schlafplatz am Toten Meer zurücklegen. Aber wie so oft, kommt es anders als man denkt. Auf der einzigen Straße am Toten Meer entlang kamen uns plötzlich zwei Bikepacker entgegen. Immer wieder ein besonderer Moment und eine Freude Gleichgesinnte zu treffen. Wir stellten fest, dass wir uns bereits auf Instagram folgten: Julia und Tilmann (ebenfalls zwei Deutsche) vom Team appi.dappi kamen aus dem Süden von Israel und waren zuvor genauso wie wir in Jordanien. Nach einem kurzen Wortwechsel entschieden wir uns gemeinsam einen Schlafplatz zu suchen, da es nun auch immer später wurde und wir auch nicht mehr zwingend ins Tote Meer wollten. Wir fuhren bereits vorher an einigen kunstvoll bemalten und verlassenen Gebäuden vorbei, die sich hervorragend als Nachtlager eignen würden. Gemeinsam radelten wir dorthin und suchten uns das Gebäude mit dem wahrscheinlich höchsten Grusel-Faktor.

Wir bereiteten unsere Schlafplätze vor, schmissen unsere Vorräte zusammen und hatten ein leckeres Abendessen bei wirklich sehr angenehmer und sympathischer Gesellschaft. Es tat auch mal gut, Erfahrungen und Geschichten mit anderen Bikepackern auszutauschen, zumal die beiden schon etwas länger unterwegs waren wie wir. Ein bisschen erleichtert stellten wir fest, dass wir mit unseren alltäglichen kleinen Problemchen und Streitereien nicht alleine waren.

Da wir eine ähnliche Route bzw. Richtung einschlagen wollten, verabredeten wir uns für abends am Kloster Mar Saba. Da die beiden noch einkaufen wollten, teilten wir die von uns erstellte Komoot Route, so dass wir uns unterwegs oder spätestens am Kloster wieder treffen würden. An dieser Stelle sei gesagt, dass Komoot es völlig egal ist, wie viel Gepäck man dabei hat und grundsätzlich einen eigenen Willen hat. Zuerst mussten wir auf einen dünnen Wanderpfad bzw Mountainbiketrail für 2km entlang, das kostet uns schon allein fast 2h. So kam es, dass die Route öfter zu starker Frustration geführt hat. Bereits nach wenigen Metern auf dem Schotterweg war schieben und fluchen angesagt. Einige Abschnitte waren so steil, dass man es gerade so zu zweit geschafft hat, ein Rad zu schieben. Julia und Tilmann von appidappi.com sind aufgrund ihres Einkaufs länger auf der Straße geblieben, hatten daher einen anderen Abzweig auf die so wunderschöne Route genommen und waren uns somit weit voraus.

Die Strecke hatte nur ca. 32km, trotzdem hat man aufgrund der 748 Höhenmeter und dem losen Untergrund den ganzen Tag gebraucht. Dazu kam dann noch ein heftiger Wind auf, der ausgerechnet am höchsten Berg sein Tagesmaximum erreicht hat. Natürlich von vorne, alles andere wäre ja auch zu einfach. Während wir mal wieder am Schieben waren, machten wir uns Gedanken, wie es wohl den anderen beiden erging und Julia hatte dabei schon ein schlechtes Gewissen, da die Route ja ihre Idee war. Meine bösen und frustrierten Blicke machten das Ganze nicht besser. Bevor Körper und Geist völlig zusammenbrachen, erreichten wir das Kloster. Ein beeindruckendes Bauwerk am Rande einer Schlucht. Hier warteten Julia und Tilmann auf uns, die in einer ähnlichen Verfassung waren wie wir. Unser Mitgefühl half da nur wenig, aber unser späteres gemeinsames Abendessen ließ den höllisch anstrengenden Tag vergessen. Zuerst war es noch nicht sicher, ob wir hier übernachten dürften, doch wenig später teilte uns ein deutschsprechender rumänischer Mönch durch eine verschlossene Tür mit, dass wir neben dem Kloster im Garten übernachten dürfen. Allerdings auf eigene Gefahr, da hier die Mönche wohl öfter mal von Kindern mit Steinen beworfen wurden. Dies blieb uns zum Glück erspart. Wir wurden lediglich von neugierigen Blicken beobachtet.

Am nächsten Morgen betrat eine Gruppe Pilger-Touristen den Bereich neben dem Klostergarten. Da die kleine Tür zum Kloster weiterhin verschlossen blieb, wurde draußen spontan ein Gottesdienst abgehalten, während wir daneben unser Zelt abbauten und unsere Räder bepackten. Natürlich wollte man dieses Treiben nicht stören, doch irgendwann mussten wir unsere Räder durch die kleine singende Menschenmenge schieben. War dann aber kein Problem.


So begann die Fahrt mal wieder mit steilen Anstiegen, wobei wir diesmal wieder Asphalt hatten. Wieder einmal schockierten uns die Massen an Müll, die am Straßenrand die Abhänge bedeckten. Weniger schockierend war das Verhalten der Kinder im nächsten Dorf, da wir das schon aus den vorherigen arabischen Ländern gewohnt waren. Es wurde wieder „money, money, money“ gerufen, die Blicke dabei waren alles andere als freundlich. Auch hier wird ein Europäer (in unserem Fall) als „fahrender Geldautomat“ betrachtet. Von den Erwachsenen wurden wir wie immer freundlich begrüßt, aber bei den meisten Kindern fühlten wir uns alles andere als Willkommen.

Wir näherten uns Bethlehem und die Menge an Autos und Lärm nahmen immer weiter zu. In der Innenstadt war die maximale Verstopfung des Verkehrs erreicht. Zum Glück waren wir auf Fahrrädern und konnten uns langsam, aber sicher durch den Verkehr bis zu unserer Unterkunft schlängeln. Wir sicherten unsere Fahrräder und bezogen unser Zimmer in dem AirBnB. Am gleichen Tag besuchten wir noch die Geburtskirche sowie die danebenliegende Kapelle der Milchgrotte. Gerade in der Geburtskirche war die Hölle los, jeder wollte in das Loch (die Stelle an der anscheinend Jesus geboren wurde) hineinfassen. In diesem Miniraum befanden sich dicht aneinandergedrängt mindestens 30 Menschen, Julia drehte direkt beim Eingang wieder um. Ich machte noch schnell ein Bild und schnell verließen wir das überfüllte Gebäude. Ganz in der Nähe war ein Zieleinlauf für den Palestine Marathon, der am nächsten Tag stattfinden sollte. Wir genossen den restlichen Tag bei gutem Wetter mit ein bisschen Sightseeing und Einkäufe für die nächsten Tage und planten unsere Reise nach Jerusalem, welche schwieriger war, als gedacht. Mehr dazu gibt es im nächsten Beitrag.




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