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  • AutorenbildMarc

Freedom of movement

11.03.2023

Am nächsten Morgen ging es früh los durch die Stadt Bethlehem Richtung Checkpoint. Auf der anderen Seite sollte der Bus abfahren, der uns nach Jerusalem bringen sollte. Unser Weg führte an einer großen Sperranlage vorbei. Eine große Mauer, die das Westjordanland von Israel trennt und gleichzeitig an die Berliner Mauer erinnert. Tatsächlich steht die Mauer aber nicht genau auf der Grenze, die 1967 von der UN-Resolution beschlossen wurde, sondern mitten im palästinensischen Gebiet und schneidet somit der Bevölkerung große Teile von Bethlehem ab. Die Mauer ist übersät mit Graffitis von Street-Art-Künstlern, unter anderem auch von „Banksy“. Die Bilder gingen um die Welt und einige hat sicher der ein oder andere schon mal zu sehen bekommen.

Die Bilder waren sehr eindrucksvoll und regten zum Nachdenken an, gleichzeitig wirkte die Mauer sehr bedrohlich und man fühlte sich wie in einem Gefängnis. Wir begriffen langsam, wie es sich für die Menschen hier anfühlen musste. Umso mehr wurde uns dies klar, als wir versuchten, die Grenze zu passieren. Bevor wir zur Schleuse kamen, erfuhren wir von den Leuten, dass heute geschlossen sei. Es sei wegen dem Marathon hieß es. Wir gingen trotzdem zur Schleuse und sahen weitere Touristen, die auch nicht weiterkamen. Wann sie wieder geöffnet wird, konnte uns niemand so genau sagen. Völlig enttäuscht suchten wir einen anderen Weg, um dort rüberzukommen. Alles viel komplizierter als wir dachten. Wir sprachen mit den Einheimischen, sie wussten es auch nicht. Wir fragten, ob das öfter so sei und als Antwort kam „es wird sporadisch geöffnet oder geschlossen.“ und „so ist unser Leben“.

Leider hatten wir unsere Pässe auch nicht dabei. Wir waren es auch nicht gewohnt, sie ständig dabei zu haben. So entschieden wir uns, zur Unterkunft zurück zu gehen und zu einem späteren Zeitpunkt nochmal hinzugehen. Dabei fragten wir uns langsam, ob sich das überhaupt noch lohnt. Eine Weile später standen wir wieder vor dem Checkpoint, welcher immer noch geschlossen war. Wir warteten etwa noch eine Stunde, bis wir schließlich aufgaben. Zumal nun die Zeit für ein Besuch in Jerusalem viel zu kurz war.

Auf dem Weg zurück zur Unterkunft kamen uns auch schon die ersten Läufer des Palestine Marathon entgegen. Alle hatten ein gelbes T-Shirt mit der Aufschrift „freedom of movement“. An der Startnummer war erkennbar, welche Strecke die Person läuft.

Bis jetzt kamen einzelne Läufer, doch schon bald kam eine riesige Masse an Menschen in gelben T-Shirts an uns vorbei gelaufen. Ok, laufen ist da vielleicht das falsche Wort. Die meisten der 10 und 5 km Läufer gingen eher spazieren. Man sah Familien mit Kinderwagen und das Ganze war augenscheinlich eher eine große Demonstration für die Bewegungsfreiheit der Menschen, die hier leben. Wie ironisch, dass der Checkpoint an diesem Tag auch noch geschlossen war. Wir spazierten noch eine Weile durch die Stadt und schauten uns die Veranstaltung an. Ich hab mich ein bisschen geärgert, dass ich mich nicht rechtzeitig dazu entschieden habe mitzulaufen. Wann läuft man denn schon mal durch Bethlehem und nimmt dabei gleichzeitig an einer Demo teil. Den Rest des Tages verbrachten wir in der Unterkunft mit Kochen und Planung der nächsten Tage. Am Abend erfuhren wir noch, dass ein Anschlag in Tel Aviv stattgefunden hat. In solchen Fällen werden die Grenzen pauschal geschlossen.


Am nächsten Tag ging es sehr früh mit dem Rad los. Es ging zu dem Bereich des mittlerweile geöffneten Checkpoints, den man mit dem Auto durchfahren konnte. Wir stellten uns gedanklich schon auf intensive Kontrollen ein und waren überrascht, dass wir fast durchgewunken wurden. Auf die Frage, warum denn gestern geschlossen war kam natürlich keine Antwort. So waren wir endlich auf unserer Reise nach Jerusalem.

Wir erreichten die Stadtmauer und gelangen über das Jaffa Tor in die Altstadt. Zu unserer Rechten stand eine große alte Festung. Wir gingen links in eine der schmalen Gassen und fragten beim nächsten Hotel, ob wir die Fahrräder abstellen dürften. Die hatten aber leider kein Platz. Wir wollten die Räder lieber irgendwo sicher abstellen und anschließen, denn die schmalen Gassen und Treppen wären absolut nicht für Fahrräder geeignet. Nach einer Weile bot uns ein Mann seine Hilfe an. Er hat ein Restaurant, was bald öffnen würde. Direkt davor konnten wir die Räder sicher anschließen, welche auch noch von Überwachungskameras beobachtet wurden. Davon hatte Israel genug. Gerade hier in der historischen Altstadt fand man sie an jeder Ecke aufeinander gestapelt. Unser erstes Ziel war die Klagemauer. Sowas muss man einfach mal live gesehen haben. Hunderte Menschen starren und beten eine Mauer an und einige lehnten dabei sogar ihren Kopf an die Mauer. Zuerst hatten wir wunderbaren Blick von oben auf die zahlreichen Menschen. Die Mauer wurde in zwei Bereiche unterteilt: Männer und Frauen.

Wir wollten uns das aus der Nähe ansehen und gingen hinunter durch eine Sicherheitskontrolle. Auf dem Platz vor der Mauer war neben den vielen Juden eine hohe Anzahl von Sicherheitskräften, Polizisten und Soldaten mit Gewehren. Spannend waren auch die Juden selbst mit ihren Locken an den Ohren und den unterschiedlichsten Kopfbedeckungen. Manche sahen aus, wie normale kleine oder große Hüte, einige sahen aus wie ein riesiger zusammengerollter Pelzmantel. Das bekannteste und meistgetragene war die Kippa. Und alle waren schwarz bekleidet und hatten ihre Bibel dabei, die teils selbst beim Spazieren gelesen wurde.

Julia ging zur rechten Seite zu den Frauen und ich ging zur linken Seite zu den Männern, die auch deutlich größer war. Um den Bereich der Männer zu betreten war eine Kopfbedeckung notwendig und so gab es selbst für jeden Besucher eine Kippa. Ich fragte mich, wie diese Kippa auf meinem Kopf bleiben soll. Beim leichtesten Wind würde die ja sofort weg fliegen und ich habe keine Haarpracht um eine Klammer verwenden zu können. Aber für die paar Meter reichte das aus. Ich war nicht der einzige Tourist, der die Mauer mal sehen wollte. Neben den ganzen Juden mit einer kleinen Bibel (Tora) in der Hand gab es viele, die einfach nur mal die Mauer berühren wollten. Hier standen auch viele Plastik-Gartenstühle zur Mauer hin ausgerichtet. In der Mauer steckten zwischen den großen Steinen kleine Zettel, worauf die Menschen ihre Gebete, Wünsche und Danksagungen geschrieben hatten. Die Klagemauer wird von den Juden auch Westmauer genannt und ist nicht ein Ort zum Beklagen, was viele womöglich glauben. Sie ist das Überbleibsel der Umfassungsmauer des Herodianischen Tempels. Nachdem ich kurz an der Mauer stand verließ ich fasziniert wieder den Bereich.

Julia wartete bereits auf mich und unser nächstes Ziel war der Felsendom. Eine Gasse weiter änderte sich das Bild schlagartig. Keine Menschen mehr mit bizarren Hüten, die zwischen dem ganzen Militär eine Mauer anbeten. Die schmalen Gänge haben sich in ein riesigen Markt verwandelt. Hier wurde von den Muslimen Süßigkeiten, Souvenirs und Kleidung verkauft und es war ein leichtes Gedränge auf dem Weg zum Felsendom. Leider hatten wir an diesem Tag Pech, für den Felsendom war heute keine Besuchszeit und hinzu kam, dass es Zeit für ein Gebet war. Die Eingänge von dem Bereich wurden wieder von starken Sicherheitskräften bewacht: „Only Moslems“ (Zutritt nur für Muslime).

Ein wenig enttäuscht verließen wir die Altstadt durch das östliche Löwentor und gingen auf den Ölberg. Von dort oben hatten wir einen fantastisch Blick auf die Altstadt von Jerusalem.


Auf dem Ölberg selbst gab es ebenfalls noch viel zu sehen. Verschiedene Gräber, Kirchen und Heiligtümer aus Islam, Judentum und Christentum waren hier zu finden. Vieles davon haben wir auch einfach ausgelassen, da es touristisch sehr überfüllt war.

So genossen wir die Aussicht und gingen gegen Nachmittag wieder hinunter.

Wieder auf dem Weg zum Löwentor kam uns eine gigantische Menschenmasse entgegen. Der Weg, der sowieso schon berghoch ging, wurde dadurch noch beschwerlicher. Die Gebetszeit der Moslems war vorüber und diese wollten den Felsendom bzw. die Altstadt wieder verlassen. So schlängelten wir uns Stück für Stück durch die Menschenmasse, die glücklicherweise immer dünner wurde. Nun brauchten wir mal kurz Internet, da wir wussten, dass Julia und Tilmann von appi.dappi ebenfalls in der Nähe waren und wir uns nochmal treffen wollten. Wir bekamen WLAN an einem Restaurant, ohne gleich etwas bestellen zu müssen. Wir verabredeten uns an dem Restaurant, wo auch unsere Fahrräder parkten.

Bis dahin war aber noch etwas Zeit und wir gingen vorher noch an der Grabeskirche vorbei. Hier soll angeblich Jesus Christus begraben liegen. Archäologen und Historiker sind sich diesbezüglich uneinig, es würden viele Gräber in Jerusalem in Frage kommen. Aber das war den Menschen egal, die bei Öffnung der Kirche massenweise hineinströmen um das Grab von Jesus zu berühren. Ein ähnliches Bild hatten wir schon in Bethlehem, wo die Menschen unbedingt in das Loch im Keller der Geburtskirche greifen mussten, an der Stelle wo Jesus wohl geboren wurde. Diese Euphorie war schon fast erschreckend. Ich fragte Julia, ob sie nicht auch mal das Grab berühren möchte. Sie antwortete nur, dass uns wohl dafür ein wenig der Glaube fehlen wurde. Wir gingen nach nur wenigen Minuten wieder hinaus ins Freie, wo wir uns wieder frei bewegen konnten ohne gleich angerempelt zu werden. Sowas war mal interessant zu sehen, aber richtig genießen oder bestaunen konnte man es nicht. Die Bewegungsfreiheit war auch hier wieder stark eingeschränkt und man wollte einfach nur raus aus diesen Menschenmassen. Wir gingen wieder durch die Gassen zu unseren Fahrädern.

Dort warteten bereits Julia und Tilmann auf uns. So hatten wir noch eine nette Gesellschaft und gute Unterhaltung als Abschluss eines gelungenen Tages. Nachdem wir uns verabschiedeten, verließen wir wieder die Altstadt mit unseren Rädern und fuhren zum Herlzberg, einem Park neben dem Holocaust Museum Yad Vashem. Hier schlugen wir unser Nachlager auf, weil wir am nächsten Tag das Museum besuchen wollten. Die Nacht war turbulent, seit langen erlebten wir mal wieder eine Partynacht, die direkt neben unserem Zelt stattfand. Da wir aber schon gegen 20 Uhr im Bett lagen und die Party erst gegen 23 Uhr startete, wollten wir nicht dazustoßen und versuchten somit verzweifelt zu schlafen, was mehr schlecht als recht gelang. Am nächsten Morgen ging es dann zur größten Gedenkstätte des Holocausts. Ein Muss unserer Meinung nach, wenn man schon in Jerusalem ist. Für uns natürlich nicht mehr ganz so erschreckend, da wir alles schon zu gut aus der Schule kennen. Natürlich ist es immer wieder verstörend, die Bilder und Augenzeugenberichte der Überlebenden zu sehen und zu hören. Außerdem ist das Gebäude architektonisch sehr beeindruckend.

Somit verließen wir Jerusalem mit etwas gedrückter Stimmung. So viele verschiedene Eindrücke und Emotionen auf einem Haufen haben wir bis jetzt noch nicht auf unserer Reise erlebt. Danach machten wir uns 50 km auf den Weg nach Maccabim, dort wartete eine Warmshower-Unterkunft auf uns. Wir wollten noch in Palästina einkaufen, da wir hier auf günstigere Preise hofften. Uns Route sollte eigentlich durch Palästina führen. Zuvor erfuhren wir noch, dass die Hauptstraßen von den Palästinensern nicht benutzt werden durfte. Was dies genau bedeutete, stellten wir auf unserer Route fest. An der Straße nach dem Checkpoint war überall ein Zaun mit Stacheldraht oder eine Mauer. Man fuhr ein Stück durch Palästina, aber irgendwie auch nicht. Man fühlte sich wieder wie in einem Gefängnis. Soviel zum Thema "Freedom of movement"













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