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  • AutorenbildJuli

Tüneli's und Leitplanken

Regnerisch und neblig war der Morgen als wir die Schwarzmeerküste erreichen wollten. Zum Glück lagen jede Menge Tüneli (Tunnel auf Türkisch) auf unserem Weg. Normalerweise freut man sich als Radfahrer nicht so sehr darüber, weil dort meistens kein Seitenstreifen mehr vorhanden ist und die LKW mit enormem Lärmpegel und bei viel Verkehr sehr nah an einem vorbeirauschen. Definitiv keine Armlänge Abstand. Aber es war Sonntag, daher kaum Verkehr und die Tunnel schützten uns vor dem Regen. Wir stellten auch einen neuen Rekord auf: der längste Tunnel der Türkei, welcher erst dieses Jahr fertigstellt wurde, war mit 14 km auch für uns der längste Tunnel. Es machte sogar Spaß, weil es leicht bergab ging und die physikalischen Gesetze wie Gegenwind nicht existierten. Zusätzlich erzeugten die lauten Triebwerke an der Decke für einen frisches Lüftchen im Tunnel, so dass wir bei 50kmh noch gut atmen konnten. Aber irgendwann hatte der Spaß ein Ende und wir erreichten das hässliche Industriegebiet von Trabzon.

Und auch zur Küste hin wurde es nicht besser, es gab gar keinen Meerzugang, weil genau dort die ganze Küste entlang bis nach Georgien die Autobahn verlief. Es gab zwar 1-2 schöne Aussichtspunkte wie die Hagia Sophia, aber ansonsten schien für uns Trabzon eher wie ein Shopping und Restaurant Paradies zu sein. Wir statteten hier der Botschaft vom Iran einen Besuch ab, um unser Visum abzuholen. Das sollte nun plötzlich wieder mehr kosten, also vereinbart war. Der Sachbearbeiter hatte einfach einen Haken bei "eilig" gesetzt, was aber überhaupt nicht notwendig war. Diskutieren half hier nicht. Aber wir merkten wieder einmal: Verhandeln zahlt sich aus. Wir erhielten letztendlich doch einen Nachlass und zahlten somit den ursprünglichen Preis (50$ statt 75$). Nach ein paar anderen Erledigungen machten wir 2 Tage Pause und sogar Marc's Geburtstagsessen wurden beim Inder nachgeholt.

Nur noch 200km bis Georgien, Endspurt. Wir freuten uns darauf, endlich mal wieder an einer Küste lang zu fahren. Kaum Höhenmeter, schöne Aussicht auf die Berge und auf das Meer. Vielleicht geht es auch mal ins Wasser? Pustekuchen, viel zu kalt und die Küste in der Türkei lädt auch wirklich nicht zum Baden ein. Die sogenannten Strände bestanden aus ein Haufen großer Steine und waren daher ungeeignet. Hinzu kam, dass die Küste nur aus Autobahn bestand und somit unsere Sicht auf das Meer permanent durch Leitplanken versperrt wurden. Und die einzigen Übergänge waren nur für Fußgänger, was es für uns unmöglich machte auf die andere Seite zu gelangen. Am ersten Abend erreichten wir Rize, eine Stadt, die auch bekannt für die unzähligen Teefabriken ist. Hier wurde uns ein Zeltplatz neben der Autobahn auf einer begrünten Fläche neben Sportplätzen angeboten, wo wir dann zumindest Toiletten hatten. Denn ursprünglich wollten wir in einem Café von dem Warmshowers Gastgeber Kizil schlafen. Dieser schaffte es aber nicht, da er sich noch in Istanbul aufhielt. Was für ein angenehmer Zufall. Unser Computerlüfter, der etwa 2 Wochen im Zoll feststeckte, wurde nun doch zugestellt und lag nun in einem Fahrradladen in Istanbul. Der liebe Kizil holte das Teil ab und nahm es mit bis nach Rize, wo wir es am nächsten Morgen abholen konnten. Einfach großartig. Um die Nacht kümmerte sich daher sein Freund Metin um uns, zeigte uns den Schlafplatz und leistete uns Gesellschaft. Er erklärte uns einiges über Regierung und um die unzähligen Teeplantagen um uns herum. Seine Frau arbeitet auf so einer Plantage und verdient bei der Ernte umgerechnet etwa 35 Euro am Tag. Dabei darf man auch keine Höhenangst haben, denn die Plantagen wachsen hier fast senkrecht den Hang hoch. Das Klima begünstigt natürlich den Tee Anbau, die Berge und Hänge wirken wie Dschungel und durch den vielen Regen und Nebel wächst und gedeiht dieser hier wunderbar. Am Morgen brachte uns Metin Frühstück mit und anschließend fuhren wir ins Café, wo wir dankend und erleichtert den Lüfter abholten.

Weiter ging es durch Teeplantagen, Tüneli und an den tollen Leitplanken entlang. Hinter so einer Leitplanke wohnte ein ganz besonderer Warmshowers Gastgeber. Hier bei Murat war unser letzter Stopp in der Türkei. Er lebt hier komplett isoliert in einem selbstgebauten Tinyhaus, eingeschlossen zwischen Autobahnleitplanke und Steinstrand. Er hatte ein wildes Leben in Sibirien und eine leicht kleinkriminelle Vergangenheit. Um sein Karma auszugleichen oder weil er einfach Lust dazu hat, lädt er Reisende zu sich ein und verwöhnt sie mit leckerem Essen. So hatte er fast jeden Tag Besucher aus aller Welt, hauptsächlich Radreisende. Es war eine ganz besondere Erfahrung für den letzten Abend in der Türkei, die man kaum in Worte fassen kann. Wir waren froh im Warmen schlafen zu können, denn es war super windig. Aber dafür mussten wir in Kauf nehmen, etwas in den Schlaf geschnarcht zu werden. Am nächsten Tag mussten wir uns noch im Gästebuch und an der Häuserwand verewigen, so wie all seine Gäste. Marc machte abends noch den üblichen Check an den Fahrrädern und entdeckte einen Riss in meinem Hinterrad. Er entlastete die Speichen an der gerissenen Stelle, damit es nicht weiter reißt und ich weiterfahren konnte. Das musste aber bald gemacht werden und so hofften wir auf eine Reparatur in Georgien.

Wir legten schnell die restlichen 30 km bis zur Grenze zurück. Auf der ganzen Strecke standen so viele LKW am Rand und auf Rastplätzen, wie wir sie noch nie gesehen haben. Oft warten diese hier auf die Freigabe des Zolls für ihre Fracht. Dementsprechend war es auch relativ vermüllt und die Gerüche in den Tunneln nicht gerade schön. Dazu kam, dass unser geliebter 3 Meter breiter Seitenstreifen nun besetzt war. Der Grenzübergang verlief recht unspektakulär, ehe wir uns versahen, waren wir in einem christlichen Land. Das erste Gebäude, dass wir sahen war eine Spielhalle direkt hinter der Grenze. Nun ging es in die zweitgrößte Stadt Georgiens nach Batumi, was auch das Las Vegas on the Black Sea genannt wird. Aber erstmal mussten wir auf den sehr engen Straßen dorthin kommen, wo noch alle 2 Meter ein LKW die Straße blockierte. Zudem dachten wir die Türken wären ruppige Autofahrer, aber die in Georgien waren nochmal eine andere Hausnummer. Hier spürten wir sofort, dass wir uns unterzuordnen haben. Denn hier bremst keiner für einen Fußgänger oder Radfahrer, es gilt das Gesetz des Stärkeren. Die Fahrweise erkennt man hier auch an den nicht mehr vorhandenen Stoßstangen sehr vieler Autos. Nachdem wir die vollen Straßen überlebt haben und am Boulevard entlangfuhren, konnten wir die vielen Hochhäuser nur erahnen. Denn es hing eine Nebelschicht ab der Höhe von 30 Meter über uns, weswegen die Wolkenkratzer im Nichts verschwanden. Da meine Felge gerissen war, galt es zuerst einen Fahrradladen aufzusuchen. Dort teilte man uns aber mit, dass es in Georgien keine hochwertigen Fahrradteile gab, da diese nur günstige Ware aus China erhielten. Wir hatten aber nur eine Möglichkeit: eine Felge mit niedriger Qualität einbauen und hoffen, dass diese noch etwa 3000km hielt. Dann würden wir Besuch von David in Usbekistan bekommen, der uns dann eine hochwertige Felge aus Deutschland mitbringt. Ansonsten hatten wir eine nette Unterkunft für 3 Tage und schauten uns die Stadt Batumi an. Es gab hier wirklich sehr schöne Ecken. Vor allem die Strandpromenade erstreckt sich über 5km und hat einiges an Parks, Restaurants, Skulpturen, Riesenräder, Seen und viele Sport- und Freizeitmöglichkeiten.

Mit nagelneuer Felge fuhren wir bei schönstem Wetter dem großen Kaukasus entgegen. Aber an diesem Tag durften wir noch die Küste des Schwarzen Meeres mit seinem schwarzen Sand bewundern. Wirklich eine ganz andere Welt im Vergleich zu der türkischen Seite. Die Leute waren hier auch wieder etwas reservierter, denn wir waren ja wieder im Christenland. Dafür konnte man auch mal wieder als Frau in kurz fahren, ohne dass man blöd angeguckt wurde. Gegen Nachmittag erreichten wir einen Strand in der Nähe von Poti, der uns bereits empfohlen wurde. Es fing leider an zu regnen und so war die letzte Möglichkeit im Schwarzen Meer zu baden für uns auch passé. Der Platz gefiel uns nicht so recht, es lag leider viel Müll rum und wir fanden nichts woran wir die Räder ketten konnten. Denn wir wurden schon gewarnt, dass man in Georgien etwas vorsichtig sein sollte, da hier ist schon das ein oder andere Rad abhanden gekommen. Wir entdeckten dann eine kleine Überdachung mit Sitzgelegenheiten, Geschirr und Hängematten. Der Ort kam wie gelegen und war perfekt um vom Regen gut geschützt die Nacht zu verbringen. Wir konnten die Räder gut anschließen und konnten daher gut schlafen. Leider zu gut, denn das böse Erwachen folgte am nächsten Morgen. Mehr dazu im nächsten Bericht.

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