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  • AutorenbildJuli

Zelten auf Blindgängern

Mit einem Minivan und den Rädern auf dem Dach sind wir gut in Vientiane, der Hauptstadt von Laos angekommen. Für uns ging es auf direktem Weg zum Flughafen, weil David dort auf uns wartete. Leider ging es ihm gesundheitlich nicht gut und er wollte so schnell wie möglich nach Hause. Zum Glück ging der Flieger so, dass wir ihn noch verabschieden konnten. Anschließend ging es im Dunkeln zu unseren Warmshower-Gastgeber, bei denen wir was zu Abend bekamen und im Gästezimmer schlafen durften. Es war ein Paar aus Australien, die nach Laos ausgewandert sind. Sie gaben uns wertvolle Tipps, was wir bei unserem Kurzaufenthalt noch unternehmen konnten. Sie hatten einen deutschen Freund, der hier ein Restaurant betrieb. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen, denn Marc träumte schon länger mal wieder von einem deutschen Schnitzel. Zuvor wollten wir noch etwas Kultur betreiben und gingen in das COPE Museum. Bei diesem Museum geht es um die Blindgänger aus dem Vietnamkrieg. Bevor wir das Land betraten, ahnten wir noch nichts von den Gräueltaten, die sich hier abgespielt hatten. Laos war zwar nur ein Nebenschauplatz des Vietnamkriegs, bekam aber aufgrund kommunistischer Bewegungen im Land und der Nähe zu Vietnam die meisten Bomben ab. Zwei Millionen Tonnen Bomben haben die USA über Laos abgeworfen, darunter 270 Millionen Streubomben. Mehr als jemals über einem anderen Land pro Kopf der Bevölkerung. Weil rund 80 Millionen Streubomben nicht explodiert sind, ist rund ein Drittel des Landes mit Blindgängern verseucht. Die fordern auch heute noch Opfer. In diesem Museum klären sie über diesen Sachverhalt auf und zeigen auch die zahlreichen Prothesen, die die Bevölkerung so dringend benötigt, weil diese Blindgänger immer mal wieder hochgehen. Im Museum lernten wir, dass nicht das Drauftreten der UXOs (Unexploded Ordnance) eine Gefahr war. Vielmehr die Hitze eines Lagerfeuers oder das Einschlagen von Metallgegenstände in die Erde, wie beispielsweise eine Hacke beim Feld umgraben. So könnte auch ein Zeltnagel zu einer Umsetzung führen, wenn er in den Boden geschlagen wird. Regelmäßig werden immer mal wieder UXOs ausgegraben und entschärft. Aber ob das reicht?

Nach dem Museum ging es für uns in das deutsche Restaurant, wo Marc endlich sein Schnitzel genießen konnte. Danach fuhren wir zur Busstation um weiter in den Süden zu kommen. Die Straßen waren hier in so schlechtem Zustand, dass uns das Radfahren nicht empfohlen wurde. Wir waren in einem Schlafbus gelandet. Die Räder wurden wieder auf das Dach geschnallt. An Schlafen war nicht zu denken, denn es wackelte wie verrückt durch die ganzen Schlaglöcher. Außerdem waren die Betten maximal 1,60 m lang, weswegen wir uns nur seitlich in Embryostellung reinlegen konnten. Gegen 2 Uhr morgens erreichten wir unseren Zielort und fanden um die Zeit tatsächlich noch ein sehr günstiges Hotelzimmer. Der Preis machte sich mal wieder in der Qualität des Zimmers bemerkbar. Das Waschbecken hatte kein Abfluss, so dass Hände waschen auch gleichzeitig Füße waschen war.

Am nächsten Morgen begann der Thakhek Loop, den hier viele Touristen mit dem Motorrad oder Roller unternehmen. Die Gegend war bekannt für eine enorm hohe Dichte an Höhlen und Berge zum Klettern. Den ersten Tag hatten wir starken Gegenwind aber schafften es bis zur Kong Lor Höhle. Wir zelteten kurz davor direkt am Wasser. Sofort kam die Erinnerung an das Museum wieder hoch. Daher entschieden wir uns, keine Zeltnägel in den Boden zu schlagen. Mit unserem freistehenden Zelt ist das kein Problem. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit verschwindend gering war, hatte man ein eher mulmiges Gefühl, wenn man weiß, dass unter einem noch Blindgänger liegen könnte. Gegen 6 Uhr in der Früh wurden wir geweckt, denn viele Einheimische liefen durch den Fluss auf die andere Seite des Waldes oder zu kleinen anliegenden Feldern. Dabei riefen sie laut Falang (Weiße) als sie unser Zelt sahen und lachten. Im Vorbeilaufen wurde man gegrüßt. Nach unserem Frühstück und den zahlreichen Besuchern fuhren wir zur Höhle. Es war eine 8 Kilometer lange Höhle, durch welche man mit einem Boot gefahren wird. Wir konnten sogar die Räder mitnehmen, das hieß eine Person (inklusive Rad) auf einem Boot. Es war ein besonderes Erlebnis, so eine große Höhle mit dem Boot zu durchfahren. Das Wasser war meist nur ein paar Zentimeter hoch, sodass wir manchmal sogar aussteigen mussten, um über besonders niedrigen Pegel zu kommen. Zwei mal durften wir auch aussteigen, um die schön beleuchteten Gesteinsformationen zu bewundern. Da wir auch allein waren, hatte es etwas Mystisches. Die Höhle war riesig und eine Halle grenzte an die andere, und es war stockdunkel - nur unsere Kopfleuchten ließen uns die Umrisse der Höhle erahnen. Manchmal war das ganz schön aufregend, wenn plötzlich aus dem Nichts ein Stein mitten im Fluss auftauchte und ich befürchtete, wir steuern geradewegs darauf zu. Aber die Bootsfahrer waren echte Profis. Als wir nach ca. 1 Stunde wieder Tageslicht entdeckten und aus der Höhle fuhren, war das ein sehr befreiendes Gefühl.


Auf der anderen Seite warteten sehr ursprüngliche Dörfer auf uns. Diese sind in der Monsunzeit vom Rest abgeschnitten und leben autark. Ihre Haupteinnahmen waren der Tourismus und die Landwirtschaft. Alle Häuser stehen auf Stelzen, denn in der Monsunzeit ist vieles überschwemmt. Die Gegend war total schön, aber viel war hier nicht los. Es gab kaum noch Kioske, in denen wir gerade Wasser und Sojamilch fanden. Wir hatten aber genug Vorräte dabei um zu campen und zu kochen. Es war eine Schotterpiste voller Staub und daher kamen wir nur beschwert voran. Bei einem kleinen Hang kam Marcs Rad in eine Rille der Schotterpiste und überschlug sich. Völlig geschockt rannte ich zurück und sah Marc bewegungslos im Staub liegen. Nach einer Weile konnte er sich Aufsetzen und kippte erstmal viel Wasser ins Gesicht und Mund, da alles voller Sand war. Alles schien noch dran, aber Hose und Shirt waren kaputt, Hand, Knie und Schulter bluteten, soweit man das durch den ganzen Sand sehen konnte. Erstmal vom Schock erholen. Da weit und breit keine Hilfe zu sehen war, mussten wir erstmal weiter und einen Schlafplatz finden, wo Marc auch seine Wunden auswaschen konnte. Bei dem ganzen Staub und Dreck war Verarzten erstmal nicht möglich. Wir fanden einen Kiosk für das Nötigste und auch einen Platz zum Zelten: auf einem alten Reisfeld. Die Bauern waren nebenan noch auf den Feldern und wir fragten um deren Genehmigung. Obwohl die Verständigung sehr schwierig war, bekamen wir ein OK und sie beobachteten uns bei jedem Schritt. Marc fuhr erstmal wieder zurück zum Dorfbrunnen um sich zu waschen. Danach konnten wir die Wunden verarzten und kochten anschließend. Die Bäuerin setzte sich zu uns und redete viel auf uns ein, aber wir verstanden natürlich kein Wort. Auch wussten wir nicht ob sie mitessen wollte. Wir schenkten ihr eine Sojamilch, die sie annahm. Aber unseren Teller Spaghetti mit Tomatensoße wollte sie nicht annehmen und zog von dannen. Danach hatten wir endlich Ruhe, man hörte nur noch die Glocken der Kühe um uns rum.

Am Morgen um 6 Uhr liefen die Kühe um unser Zelt herum und weckten uns mit ihren Glocken. Marc ging es den Umständen entsprechend gut. Wir waren sicher einen Kleintransporter zu finden, der uns in die nächste Stadt mitnehmen würde. Diese lag nur noch 30 Kilometer entfernt, aber uns stand ein steiler Berg bevor, den wir nicht bewerkstelligen konnten. 10 Kilometer geradeaus konnte Marc noch strampeln, aber als es so steil hoch ging, war das Fahren für ihn nicht mehr möglich. Wir hofften auf jemanden, der uns mitnehmen könnte. Leider hielt keiner an, obwohl es mit einem Pick-up oder Kleintransporter ein Leichtes gewesen wäre, uns einzuladen. Natürlich hätten wir auch dafür bezahlt, aber irgendwie klappte es nicht. Sie sahen auch das Marc verwundet war und humpelte, trotzdem nahm uns keiner mit. Völlig entmutigt fanden wir im Internet ein Hotel, das wir per WhatsApp kontaktieren konnten. Man organisierte uns eine Abholung und wir waren einfach nur dankbar. Wir konnten uns und unsere Taschen erstmal komplett vom Staub befreien und duschen. Im Resort war tote Hose, sodass wir leider nochmals mit den Rädern losmussten, um etwas zu Essen zu bekommen. Wir waren total überrascht von der kalten Temperatur. Wir waren nur 400 Meter höher, aber es hatte nur noch 14 Grad mit Wind am Abend. Wir waren sehr froh nicht zelten zu müssen, und froren noch unter der Decke im Hotelzimmer.

Am nächsten Morgen ging es Marc so gut, dass er radeln konnte. Jedenfalls gerade Strecken und zum Glück hatten wir etwas Rückenwind, sodass wir tatsächlich relativ schnell 80 Kilometer zurücklegten und nach einer Höhlenbesichtigung nach Thakhek einfuhren. Die Landschaft war spektakulär, denn wir befanden uns auch in einem Nationalpark. Eigentlich bräuchte man eine Drohne, um diese Landschaft wiederzugeben. Es waren Seenplatten gepaart mit Gesteinsformationen, die wir so noch nie gesehen haben. Zudem ist alles voller Höhlen, aufgrund der Eintrittspreise haben wir uns aber nur die große gegönnt. Es war trotz Sturz eine tolle Runde gewesen und wir sind dem Land nochmals etwas näher gekommen.

Anschließend stand Weihnachten vor der Tür. Wir dachten wir verbringen es in dem Städtchen Thakhek, in dem sich viele Touristen als Ausgangsbasis für den Loop befinden. Jedoch war hier echt tote Hose. Die Restaurants waren fast alle leer und der Nightmarket enttäuschte uns auch. Von Luang Prabang kannten wir noch die unendlichen Weiten eines Nightmarkets mit allerlei Köstlichkeiten. An Weihnachten entschieden wir uns für ein schickes Restaurant eines Hotels, wo es Lasagne gab. Die laotische Küche war generell ganz zufriedenstellend, so gab es an jedem noch so kleinen Stand immer Nudelsuppe. Diese schmeckte uns immer recht gut, wurde aber mit der Zeit etwas langweilig. Oft aßen wir noch angebratene Nudeln oder Reis oder auch mal ein Curry. Aber ab und an wünscht man sich eben etwas heimeliges wie zum Beispiel Lasagne, Pizza oder Burger. Das war dann unser Weihnachtsessen und am Tag darauf gönnten wir uns einen Burger. Aber es war einfach nichts los und außer dass die Kinder in Weihnachtskostüme gesteckt wurden und die KellnerInnen Rehntierohren aufhatten, kam keine Weihnachtsstimmung auf.

Nach Weihnachten brachen wir dann auf in den Süden des Landes. Auch hier nahmen wir wieder einen Nachtbus, denn die Distanzen waren groß und die Straßen schlecht. Zudem waren unsere 26 Tage im Land waren nicht genug, um alles mit dem Rad zu erkunden. Die Busse kann man hier nicht buchen, sondern man fährt einfach zum Busbahnhof. Aussagen, wann die Busse denn abfahren würden, streuen sehr. Aber es hat wieder einmal gut geklappt und um 20 Uhr saßen wir im Nachtbus mit Schlafplätzen. Man sagte uns der Bus würde 10 Stunden brauchen, aber der Busfahrer gab wieder wie ein Wahnsinniger Vollgas und so standen wir nachts um 3 Uhr an einer Hauptstraße mit unseren Rädern. Das ist eine ungünstige Zeit zum Radeln, jedoch auch nicht geeignet um jetzt noch eine Hotelübernachtung zu bezahlen. So fuhren wir erstmal einfach los. Zum Glück fühlten wir uns in Laos nachts um 3 Uhr sicherer als in Deutschland und wir staunten nicht schlecht, wie viele Leute schon den Markt herrichteten und Sachen von A nach B brachten. Als wir aus der Stadt Pakse gefahren sind, haben wir nach kurzer Zeit ein nagelneuen Verkaufsstand entdeckt, der auf einer Seite offen war und sonst nichts drinnen hatte. Schnell hatten wir die Räder reingeschoben, die Isomatte ausgerollt und drückten nochmal schnell für 2 Stunden die Augen zu. Anschließend ging es nach Champasak, ein wunderschön in Reisfelder gelegenes Dörfchen, direkt am Mekong. Anfangs waren wir etwas enttäuscht, dass wir Laos anstelle von Vietnam wählten, da es keinen Meerzugang hatte. Aber auch am Mekong war es hier und da mindestens genauso schön. Nach einem ausführlichen Frühstück direkt am Fluss ging es zum Hindutempelkomplex Wat Phou. Dieser stammte aus dem 11. Jahrhundert von den Khmer und stellte somit einen kleinen Bruder des bekannten Angkor Wat dar. Wenige Touristen kamen hierher und das Besichtigen war trotz der Hitze eine schöne Abwechslung. Abends fanden wir einen tollen Campingspot direkt am Mekong, sogar drin baden gingen.

Die Nacht verlief extrem ruhig und wir konnten uns super erholen. Dieser Tag begann mit einer besonderen Aufgabe, denn wir mussten den Mekong überqueren. Ein Schild führte uns zu der Fähranlegestelle. Wir sahen auch simple Fährboote, aber weit und breit keine Menschen. Daher warteten wir einfach und nach etwa 15 Minuten kam ein Mann, der uns andeutete, rüberfahren zu können. Er zeigte auf ein kleines Boot, wo wir bequem unsere Räder draufschieben konnten. Ein Roller plus Fahrer kamen auch noch dazu und das Boot war voll. Das war wirklich praktisch. 5 Minuten später legten wir auf der anderen Seite an und fuhren weiter in den Süden. Es war inzwischen wieder verdammt heiß und so waren die Kilometer echt zäh. Zudem war die Route total gerade und eintönig und man hatte kaum Schatten. Aber es ließ sich aushalten. Wir machten gerade ein Bild von einer großen Buddha Statue eines Tempels, als uns ein Mönch auf Englisch ansprach, wo wir herkamen. Da ergriff Marc direkt die Gelegenheit und fragte, ob wir im Tempel nächtigen dürfen. Für eine Nacht wäre es kein Problem. Es lebten dort 5 Mönche, 2 davon waren kleine Jungs. Diese waren natürlich total neugierig, beobachteten alles ganz genau und zeigten uns die Toiletten mit der klassischen Eimerdusche. Leider war abends geselliges Zusammenkommen der Dorfgemeinschaft, sodass es eine relativ laute Geräuschkulisse gab. Gegen 22 Uhr wurde es aber immer ruhiger und wir konnten gut schlafen. Am morgen wurden wir von den Mönchsgesängen geweckt und fuhren anschließend die letzten Kilometer bis zu unserem Jahresende-Domizil. Es ging auf die "4000 Inseln", ein beliebtes Urlaubsziel in Laos. Die Einheimischen nennen es "Si Phan Don" (Si Phan = viertausend, Don = Inseln). Bei einem Blick auf das Satellitenbild verstanden wir, warum es diesen Namen bekommen hat. Die Inseln hatten ein Karibisches Flair und die Urlaubsstimmung riss uns mit. Wir waren im Paradies gelandet. Alles voller Palmen, so viele grüne Inseln mit Sandbuchten und etliche Gästebungalows auf Stegen. Einfach traumhaft schön hier. Auf der Hauptinsel Don Det gönnten wir uns erstmal ein richtig gesundes Frühstück mit viel Obst. Anschließend ging es über eine alte Eisenbahnbrücke der Franzosen auf die Insel Don Khon. Allein mit dem Rad über diese wunderschönen Inseln zu fahren, war schon ein kleines Highlight. Wir hatten ein tolles Gästehaus mit Hängematte und Blick auf den Mekong.

Das einzige Problem: kein Geldautomat auf der Insel. Aber wir fanden einen Trick, denn wir buchten uns eine Kajaktour, mit der wir aufs Festland kamen und dort Geld holen konnten. Die Kajaktour war wirklich toll, wir fuhren sogar durch Stromschnelle, die unser Kajak fast zum kentern brachten. Wir besichtigten den Kho Phangan Wasserfall, der zu den 10 größten Wasserfällen der Welt zählt. Dieser ist total breit und leider war der Wasserspiegel zu der Jahreszeit sehr niedrig, dass er nicht ganz an die Niagarafälle heranreichte, aber er war trotzdem beeindruckend. Erschöpft aber zufrieden beendeten wir den Tag mit einem leckeren Abendessen in unserer Unterkunft.

Nun war der 31.12.2023. Den Jahreswechsel gingen wir ganz entspannt an. Tagsüber lagen wir an einem kleinen Strand und badeten. Marc trainierte ein wenig für den Triathlon und ich machte eine kleine Radtour um die Insel. Zum Abend ging es dann indisch essen und anschließend auf die Insel-Silvester-Party. Diese war am Strand an der Anlegestelle von Don Det. Es war super nett und ungezwungen und in der netten Bekanntschaft verflog der Abend wie im Flug. Ein paar Laternen wurden zu Mitternacht entzündet und ein paar Raketen flogen. Ein wirklich sehr gelungener und entspannter Jahreswechsel. Mit dem neuen Jahr kam auch ein neues Land: Kambodscha. Am nächsten Morgen machten wir uns schon früh auf den Weg Richtung Grenze.

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