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  • AutorenbildMarc

Pamir Highway Teil 1

Ursprünglich war die Idee zumindest den ersten Teil des Pamir Highways zu fahren. Also von Termez nach Duschanbe. Die 250 Kilometer haben wir innerhalb von 2 Tagen hinter uns gebracht und checkten im Greenhouse Hostel in Duschanbe ein. Das Hostel ist unter Bikepackern und Motorradfahrern bekannt und fast alle sind nur hier, weil sie den Pamir Highway fahren wollen oder bereits gefahren sind. Wir wollten eigentlich Richtung Norden fahren und der Pamir Highway stand somit gar nicht auf dem Plan. Im Hostel wurden wir deshalb mit großen Augen angeguckt und bekamen eine kleine Gehirnwäsche, die dafür gesorgt hat, dass Julia plötzlich doch den Pamir fahren wollte. Wie schon so oft hat der Satz „Wenn man schon mal da ist…“ wieder einmal Anwendung gefunden. Der Plan musste nun innerhalb eines Tages durchdiskutiert und geändert werden. Hierbei musste einiges berücksichtigt werden. Zum einen soll ein Paket mit Ersatzteilen von Deutschland nach Bischkek in Kirgisistan verschickt werden, zum anderen wollten wir zeitig in Indien bzw. Nepal sein und wir mussten uns schnell entscheiden, da wir für den Teil des Landes eine Genehmigung benötigten. Es entstand eine hitzige Diskussion im Registrierungsbüro, die fast in einem Streit endete. Ich hatte jetzt auch Lust bekommen, machte aber klar, dass es kein Spaziergang werden würde. Schließlich fanden wir einen Kompromiss, indem wir den ersten und schlimmsten Teil mit einem Transporter überspringen würden. Tatsächlich wurde uns empfohlen, eben genau diesen Teil auszulassen, wenn möglich. Der erste Teil sei geprägt von fast unmöglich zu befahrenden Straßen, dicken Staubwolken und Baustellen, die lange Vollsperrungen zur Folge haben.


Unser Paket wurde fertig gestellt und auf den Weg gebracht. Wenn alles gut läuft, landet es Ende August in Bischkek. So lange haben wir Zeit, den Pamir zu fahren und nach Bischkek zu kommen, was etwa 4 Wochen entspricht. Es musste aber erst noch ein Transporter für den ersten Teil gefunden werden, der uns mitnehmen kann. Für ein Taxi, was 100 US-Dollar kosten sollte, waren wir zu geizig. Wir fuhren ca. 8 Kilometer aus der Stadt raus und entdeckten ein paar Kohletransporter am Straßenrand. Nach dem üblichen Austausch mit dem Google Übersetzer willigten sie ein uns mitzunehmen. Wir sollten aber um 18:00 wiederkommen, da sie noch auf andere LKWs warten mussten. Wir fuhren nochmal ins Hostel zurück und nutzten die Wartezeit zum entspannen.

Wir waren zeitig da und wurden erstmal zum Picknick auf der anliegenden Wiese eingeladen. Es gab Brot, Melone und wir teilten unsere Weintrauben. Wir lernten Fayzullo, unseren Fahrer kennen. Er war der Einzige von den Anwesenden, der ausreichend Englisch sprechen konnte. Er teilte uns mit, dass sie noch auf ca. 50 LKWs warten müssen, bevor sie losfahren. Sie würden bis spätestens 06:00 Uhr morgens warten und dann losfahren. Wir überlegten unser Zelt daneben auf dem Feld aufzuschlagen. Falls es los gehen sollte, wollten wir möglichst schnell bereit sein und so luden wir schon mal die Räder samt Gepäck auf die Ladenfläche. Da man die hintere Klappe nicht öffnen konnte, mussten die Fahrräder und das Gepäck einzeln über eine Leiter nach oben gezogen werden. Das ging aber einfacher als gedacht. Die Kohle war in Säcken verpackt. Kein perfektes Polster für die Räder, aber man konnte sie gut darauf ablegen, ohne dass sie hin und her rutschen würden. Als wir wieder hinunterkletterten hieß es, dass wir jetzt essen gehen würden. Wir saßen im Restaurant zusammen und Fayzullo musste immer übersetzen, wenn jemand anderes was gesagt hat. Manchmal reicht aber auch die Zeichensprache aus. Auf den Google Übersetzer wollten wir möglichst verzichten, weil da meistens nur Murks raus kam. Nach dem Essen wurden wir gefragt, ob wir in ein Hotel möchten. Offenbar war noch nicht klar, wann es weitergehen sollte. Für uns war es aber ok, wenn wir unser Zelt auf dem Feld neben den LKWs aufbauen würden. Wir fanden eine Stelle, die halbwegs eben war und legten uns hin. Juli machte aber kein Auge zu, weil es hieß, dass es jederzeit los gehen könnte.


Wir verpackten unser Zelt, sodass wir pünktlich um 06:00 Uhr bereit waren loszufahren. Es wurde 08:00 Uhr nichts passierte. Gelegentlich kam ein wichtiger Mann mit Klemmbrett vorbei, aber sonst hockten alle am Straßenrand und warteten. Juli fragte Fayzullo, ob er für die Zeit hier bezahlt werden würde. Das wurde verneint. Insgesamt 2 Tage hockte er mit anderen LKWs am Straßenrand und wartete, ohne einen Cent zu verdienen. Für uns unvorstellbar. Er bekommt wohl seine Bezahlung erst, wenn er die Ware abliefern würde. Der LKW wurde ihm auch nicht gestellt, den musste er sich selbst kaufen. Kurz nach 08:00 Uhr sprangen plötzlich alle auf. Nun sollte es endlich losgehen. Mit lautem Gehupe setzten sich 50 schwere, mit Kohle beladene Trucks in Bewegung. Es wurde erstmal eine Tankstelle aufgesucht und vollgetankt. Fayzullo brachte uns sogar noch Getränke und Snacks mit. Die Kolonne zog sich schnell wieder auseinander und den restlichen Tag waren wir mit 3 Trucks unterwegs. Die anderen beiden waren Freunde von Fayzullo: Anwar und Bitch (Ja, er heißt wirklich so). Wir bogen rechts ab und nahmen die südliche Straße und nicht direkt die M41. Für uns erschien das der längere Weg zu sein, aber die werden schon wissen, was sie machen. Es stellte sich heraus, dass hier die Straße deutlich besser ausgebaut war.

Die Straßen Verhältnisse wechselten von normal asphaltiert gelegentlich zu einer Schlaglochparty oder zu einer Schotterpiste. Andere Teile der Straße lösten sich schon langsam auf. So fühlte sich die ganze Fahrt wie eine Achterbahn an. Lautes Hupen war unser Begleiter. Offenbar hatten hier die LKW-Fahrer Spaß dabei mit der sehr lauten Hupe zu grüßen, zu drängeln oder andere zu erschrecken. Das ist uns auf dem Fahrrad auch schon aufgefallen. Nach ca. 2 Stunden hielten wir an eine Art Rastplatz. Eine große Fläche, die mit Verkaufsständen übersäht war. Und an jedem gab das gleiche Angebot: jegliche Art von Nüssen in Schalen oder Säcken. Da hinter reihte sich ein Restaurant an das andere. Wir hatten kleine Nescafé Tütchen in der Tasche, weil wir auch mal wieder einen Kaffee haben wollten. Heißes Wasser gab es genug. Wir hockten uns direkt an den Rand und hatten einen wirklich atemberaubenden Blick auf Tal mit dem Nurek Reservoir. Es sah aus wie gemalt. Wir entschieden uns noch die Nudelsuppe Laghman zu nehmen, die ausnahmsweise mal vegetarisch war und lecker schmeckte.

Wir sackten noch ein paar Getränke ein und fuhren weiter. Nach kurzer Zeit meinte Fayzullo, dass wir jetzt schwimmen gehen und nach einer Stunde weiterfahren. Wir waren schon am überlegen, wie lange wir für die Strecke brauchen würden. Bei dem Tempo und den langen Pausen würden wir wahrscheinlich 3 Tage brauchen - und fingen an zu zweifeln, ob das eine schlaue Entscheidung von uns war. Aber naja, wir wollten uns nicht beschweren und eine Abkühlung im eiskalten Fluss bei der Hitze kann auch nicht schaden. Hier badeten bereits ein paar Jugendliche. Man fühlte sich wieder richtig gut, als der Körper mal wieder Normaltemperatur hatte und die ganzen Schweißschichten weggespült wurden. Und weiter ging es, doch wir schafften gerade mal 500m. Ein anderer LKW stand am Rand und bekam die "Motorhaube", was ja bekanntlich das ganze Führerhaus ist, nicht mehr zu. So wurde eine dicke Kette an unseren LKW gehängt um damit am Führerhaus zu ziehen, bis er sich aus eigener Kraft schließen konnte.

Wieder auf der Straße, aber die nächste Pause ließ nicht lange auf sich warten. Diesmal gönnten wir uns gemütlich ein Eis, was aber aufgrund der Hitze schnell verschlungen werden musste. Julia und ich nutzten die Pausen und wechselten zwischen Bett und Beifahrersitz hin und her. Im nächsten Ort wurde plötzlich hektisch hin und her telefoniert, während man planlos durch die Stadt fuhr. Ich öffnete mal wieder Google Maps und bemerkte, dass wir auf der falschen Straße waren. Die Fahrer wussten tatsächlich nicht wohin, obwohl es auch nicht allzu viele Möglichkeiten gab. Sie haben die ganze Fahrt nicht einmal irgendeine Art von Navigation benutzt. Um die Stadtrundfahrt zu beenden, machte ich das Navi auf meinem Handy an und steckte es in seine Halterung. Er folgte dem Straßenverlauf und teilte es den anderen beiden per Telefon mit. Wie sich nach einer Zeit herausstellte, waren sie noch nie in dieser Gegend und wissen gar nicht so richtig, wo sie eigentlich hinmüssen. Und dabei dann kein Navi zu nutzen, machte die Sache langsam echt spannend. Sie wussten nur von einem Ort, wo sich alle LKWs sammeln sollten. Das kann ja was werden. Es wurde 18:00 Uhr und wir haben nach 10 Stunden Fahrt gerade mal 200 Kilometer geschafft. Und es war wieder Zeit für eine Pause: Abendessen und ein wenig schlafen. Wir befürchteten, dass wir jetzt irgendwo versacken und erst am nächsten Tag weiterfahren. Nach dem Essen legten sich alle auf diese hochgesetzten Sitzmöglichkeiten und versuchten zu schlafen, was nicht so richtig gelang. So sprangen sie alle wieder auf und es konnte weitergehen. Diesmal legte ich mich hinten hin, weil ich den ganzen Tag schon leichte Kopfschmerzen hatte, die jetzt schlimmer wurden. Die Straßenverhältnisse waren gerade richtig gut und wir kamen sehr gut voran. Ich schlief zwischendurch ein, bekam aber mit, dass Juli Fayzullo unterhalten sollte, um ihn wach zu halten. Sie war selbst auch sehr müde und ich konnte sie wegen meiner mittlerweile starken Kopfschmerzen nicht ablösen.


Es war schon nach Mitternacht und wir haben Fayzullo's geplanten Zielort erreicht. Wir standen nun wenige Meter an der afghanischen Grenze am Pyandzh River. Die Straße geht 800 Kilometer an der afghanischen Grenze entlang und gewährt eine freie Sicht auf den Hindukusch. Meine Kopfschmerzen wurden langsam besser, aber ich muss im Tiefschlaf gewesen sein, denn ich bekam kaum die Augen auf. Ich rappelte mich auf, denn es war wieder Zeit einen geeigneten Platz zum Zelten zu finden. Fayzullo sagte, wir sollten im Truck schlafen und eher wir Einspruch einlegen konnten, lag er mit seiner Matte und Decke schon auf dem Dach des Trucks. Wir holten uns noch schnell den Rucksack mit den Schlafsachen. Da ich jetzt wieder halbwegs wach war, legte sich Julia auf das schmale Bett und ich nahm auf dem Beifahrersitz Platz.

Am nächsten Morgen wurden wir durch Klopfen geweckt. Die Sonne schaute bereits am nächstgelegenen Berg vorbei direkt in die Fahrerkabine. Noch immer wurde nicht entschieden, wer nun wohin fährt. Wir setzten uns in den Schatten auf den Asphalt und aßen das Brot des gestrigen Restaurantbesuchs. Um etwa 08:00 Uhr hieß es, dass Fayzullo nach Vanj fahren soll, was gar nicht auf unserem Weg nach Khorog lag. Aber sein Freund Anwar sollte wohl nach Khorog fahren. Somit war der Plan, dass wir unsere Sachen auf den Truck von Anwar umladen, bevor die Abzweigung kommt. Im nächsten Ort musste erstmal getankt werden. Leider kam aber kein Tropfen aus der Zapfsäule. Unsere Trucker-Crew ist aber ganz cool geblieben und wir fuhren auf ein Grundstück neben einem Unterstand. Hier stand ein großer rostiger Tank in der Ecke mit ein paar schmierigen Benzinkanistern davor. Zum Betanken wurde die Ladefläche leicht angekippt, um an den Füllstutzen ranzukommen. Nachdem vollgetankt wurde, warf Fayzullo ein paar Säcke Kohle von der Ladefläche als Bezahlung.


Gegen Nachmittag wurde unsere Fahrt durch Bauarbeiten gestoppt. In der Regel gibt es ja für sowas eine weitere Straße zum Ausweichen. Dieser Luxus ist hier aber nicht vorhanden. Hier konnte man froh sein, wenn die Straße an einigen Stellen mal zweispurig wurde, um an entgegenkommenden Fahrzeugen vorbeizukommen. Vor uns schaufelten die Bagger den feinen Sand von der Klippe, wodurch permanent eine große Staubwolke entstand.

Eine Explosion gefolgt von einem Beben erschütterte das Tal. Weiter hinten entstand die nächste große Staubwolke. Dachte im ersten Moment an einen Anschlag, aber das waren die normalen alltäglichen Bauarbeiten am Pamir Highway. Ganze Felsen wurden einfach aus dem Berg gesprengt und anschließend weggeräumt. Uns wurde langsam langweilig und ohne Handy Empfang konnte man nicht viel machen, außer warten oder schlafen. Irgendwann gingen wir ein wenig auf und ab, um zu schauen, wie viele Fahrzeuge mittlerweile in der Schlange standen. Wir fragten uns auch, wann die ersten Bikepacker auftauchen würden. Tatsächlich kamen zwei aus den Niederlanden, die ich unterwegs schon gesehen habe. Nach einem kurzen Gespräch hieß es plötzlich, dass es weiter gehen soll, und wir liefen zu unserem Truck zurück. Unsere Erwartungen, dass die Arbeiten nun eingestellt werden, wurden enttäuscht. Es wurde einfach nur immer mal wieder ein Fahrzeug durchgelassen. Zumindest lassen sie unsere Seite zuerst losfahren. Für Gegenverkehr war absolut kein Platz. Wir beobachteten vor uns die beiden Bikepacker und waren in dem Moment sehr froh, dass wir uns hier für ein Transport entschieden haben. Die Staubwolken umhüllten alle Fahrzeuge vollständig und sowas kann für die Lunge absolut nicht gut sein. Insgesamt haben wir über 3h hier verloren.

Das ganze LKW-Tetris in der Baustelle dauerte noch etwa eine Stunde, bis es im normalen Tempo weiterging. Dabei war etwa von 40 km/h die Rede, denn die Straßenverhältnisse wurden einfach nicht besser. Manchmal wurden wir von einer Bodenwelle so hochgeschleudert, dass ich Angst hatte unsere Sachen würden von der Ladefläche fliegen. Die Fahrt ging wie gewohnt im Schüttelmodus weiter. Es kam die Abzweigung und nun hieß es, auf den anderen Truck zu wechseln. Fayzullo parkte nur wenige Zentimeter neben Anwar, sodass wir unsere Räder mit Gepäck leicht umladen konnten. Wir verabschiedeten uns von Fayzullo und wollten ihm aus Dankbarkeit noch etwas Geld für seine Mühen geben, was er absolut nicht annehmen wollte. Stellt euch mal vor, er verdient nur ein Bruchteil wie wir, nimmt uns mit, kaufte uns Getränke und Snacks und lud uns sogar zum Essen ein. Nachdem die beiden noch ein kurzes Gebet für uns sprachen, setzten wir unsere Reise mit Anwar fort. So weit hatten wir es nicht mehr, rechneten aber damit, dass wir in der Nacht nochmal das Zelt rausholen würden. Aber es schien, dass Anwar einfach durchfahren wollte. Da wir uns eh nicht mit ihm unterhalten konnten, nahmen wir erst einzeln und später zu zweit auf seine Liege hinten Platz und versuchten zu schlafen. Dabei ging mir immer wieder durch den Kopf, dass Anwar wohl müde sein muss und hoffentlich nicht während der Fahrt einschläft. So passieren hier nämlich die meisten Unfälle. Nach einer Pause mit Abendessen fragte ich ihn mittels Zeichensprache, ob er müde ist und schlafen wolle. Er lächelte und schüttelte den Kopf. Um 02:00 Uhr war es dann aber so weit. Er hielt an, schnappte sich seine Decke und schlief auf seinem Lenker ein. Seine Liege wollte er unbedingt uns überlassen. Dabei würde er sie doch am dringendsten brauchen. Um 04:00 Uhr sprang der Motor wieder an und er fuhr munter weiter. Ein Blick auf die Karte verriet uns, dass es nicht mehr weit war. Unser Wunsch, morgens schon in Khorog zu sein wurde erfüllt. Um 07:00 angekommen, suchten wir uns ein Restaurant und frühstückten noch zusammen. Auch Anwar wollte kein Geld von uns. Er schien einfach nur glücklich, dass er uns helfen konnte. Wir luden unsere Sachen ab und checkten im nächsten Gästehaus ein. Wir freuten uns schon sehr darauf, die nächste Pamir Etappe mit dem Rad zurücklegen zu können. Ab hier sollten die Straßen viel besser werden.


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