top of page
  • AutorenbildMarc

Turkmenistan in 24 Stunden

Über Turkmenistan zu kommen, war eine besondere Herausforderung, die bereits im Mai begonnen hatte. Wir waren uns zu dem Zeitpunkt schon sicher, dass wir nach dem Iran nicht über Pakistan fahren wollten. Afghanistan war ebenfalls keine Option und so blieb nur der Weg über Turkmenistan. In jüngster Vergangenheit war es so, dass man ein Transitvisa für 5 Tage bekommen hatte. Das war aber scheinbar nach Corona nicht mehr möglich. Bezüglich Corona ist das Land schon mal sehr speziell, denn es wurde in dem Land einfach verboten und ist durch strikte Maßnahmen bislang kaum in Erscheinung getreten. Wir waren gerade in der Türkei, als wir die Entscheidung getroffen hatten, über Turkmenistan zu reisen. Da uns diesbezüglich noch ein paar Informationen fehlten, die das Internet nur bedingt hergaben, war unsere erste Anlaufstelle die Turkmenische Botschaft in Ankara. Ein Visum bekamen wir hier nicht. Es hieß, wir brauchen den "Letter of Invitation", also eine Einladung aus dem Land. Sowas würden wir nur von einem Einheimischen oder einer Reiseagentur bekommen. Auf die Frage, ob wir denn keine Verwandten in dem Land hätten, konnten wir natürlich nur mit dem Kopf schütteln. So blieb uns nur eine Reiseagentur. Wir durchkämmten das Internet und schrieben alle Agenturen an, die wir fanden. Entweder es kam nichts zurück oder eine Absage. Nur bei einer bekamen wir eine positive Rückmeldung: Owadan Tourism in Ashgabat. Diese versuchte uns natürlich eine umfangreiche Tour zu verkaufen. Ist ja auch deren Job. Wir machten aber schnell klar, dass wir Radreisende sind und uns ein derartiges Programm nicht leisten können. Da wir uns nicht alleine in dem Land bewegen durften, musste täglich ein Guide bezahlt werden, der uns begleitet. Bei über 500km Strecke wäre das also ganz schön teuer geworden. Wir schrieben bis zu 50 Emails hin und her, um eine Lösung zu finden, wobei die Agentur wirklich sehr bemüht war uns zu helfen. Das Ergebnis war: mit dem Rad direkt nach Ashgabat, von dort aus mit dem Zug nach Turkmenabad auf die andere Seite und schließlich wieder mit dem Rad an die Grenze. Alles in Begleitung. Wir waren einverstanden und schickten Fotos von unseren Pässen und schlossen einen Vertrag mit der Reiseagentur. Während wir unsere Reise fortsetzten, ging das ganze seinen Lauf. Alles war bereits in trockenen Tüchern, als wir Laura und Marco im Iran kennenlernten. Die hatten ein ähnliches Problem und wussten noch nicht so recht, wie sie weiter fahren sollen. Wir boten an, sie mit in unser Reiseprogramm mit aufzunehmen, wobei Marco kurzfristig entschieden hatte, doch noch durch Afghanistan zu fahren. So sollte nur Laura mit uns mitkommen, da dies keine Option für sie war, da es Frauen angeblich auch verboten war mit dem Rad zu fahren. Die Agentur war einverstanden und es wurde alles vorbereitet, in der Hoffnung, dass alles rechtzeitig fertig würde. Wenige Tage vorher kam die erleichternde Email: das Einladungsschreiben für Laura war fertig und wir trafen uns in Bejgiran, ein kleines Dorf an der Grenze. Die Hotelwahl fiel nicht schwer, es gab nur eins. In dieser Bruchbude hatten wir aber ein Zimmer, was insgesamt 5 Betten hatte, sodass wir viel Platz für all unsere Fahrradtaschen und Laura hatten.

Am nächsten Morgen ging der Wecker um 04:30 Uhr. Da wir eine Zeitverschiebung von +1,5 Stunden hatten und wir um 09:00 Uhr ein Termin an der Grenze mit unseren Guide hatten, wollten wir entsprechend zeitig los. In der Regel ist es so, dass ein Grenzübergang 24 Stunden geöffnet hat. Hier ist das leider nicht so. 07:30 (andere Seite 09:00) soll erst geöffnet sein und hinzu kam, dass heute ein Feiertag war. Der Grenzposten konnte also für nichts garantieren. Wir hockten uns unter ein Vordach, da es an unserem letzten Tag im Iran für uns zum ersten Mal regnete. Dieser ließ aber wieder nach, als es dann endlich los ging. Völlig verspätet kamen wir auf dem kleinen Berg am Terminal an, wo bereits andere zahlreiche Reisende warteten. An der Schlange zur Passkontrolle wurde ich von einem komplett in schwarz gekleideten Mann befragt: welche Nationalität, welcher Job, etc. Auf die Frage, wo wir herkamen, habe ich nur "Iran" geantwortet. Das erschien für mich an der iranischen Grenze die einzig mögliche Antwort zu sein. Nach der Passkontrolle schoben wir die Räder wieder ins Freie. Nun hatten wir den Iran offiziell verlassen. Am nächsten kleinen Häuschen warteten turkmenische Soldaten auf uns, die natürlich wieder den Pass haben wollten. Hier wurden sehr fortschrittlich die Daten handschriftlich in einem Buch aufgenommen. Auf die Frage, wo unser Visum sei, versuchten wir denen klar zu machen, dass wir von einer Reiseagentur abgeholt würden, die auch unsere Einladung dabei hätten. Kommunikation war wieder schwierig, aber das klassische Wedeln mit der Hand signalisierte uns, dass wir weiter durften. Es ging in eine große Halle, wo sich angrenzend kleine Büros befanden. Es war mittlerweile 09:30 und wir schrieben der Reiseagentur, dass wir uns verspäten würden. Wir kamen nicht so richtig weiter, da sich die Halle zunehmend mit Reisenden füllte, die gefühlt noch mehr Reisegepäck dabei hatten wie wir. Das wurde großflächig in der Halle verteilt, was die Bewegungsfreiheit noch mehr einschränkte. Unsere Pässe haben wir abgegeben. Nun sollten wir uns samt den Fahrrädern vor die Kamera stellen, aber nachdem nach einer Weile nichts passierte, setzten wir uns auf eine Bank. Die Beamten schienen etwas überfordert zu sein. Die Zeit verging bis endlich ein Mann vor uns stand, der sich als unser Fahrer identifizierte. Nun ging alles ein wenig schneller voran, da dieser auch der erforderlichen Sprache mächtig war. Englisch leider nicht, aber Handzeichen genügten. Im ersten Büro waren insgesamt 4 kleine Quittungen auszufüllen und zu unterschreiben. Und dann wurde doch tatsächlich noch ein Covid-Schnelltest durchgeführt. Nach einer langer Zeit durften wir mal wieder die Nase hinhalten, was uns ganze 33 US-Dollar pro Nase gekostet hat. Immerhin bei allen negativ. Anschließend wurden im ersten Büro alle Rechnungen bezahlt. 59 US-Dollar Visa, 33 US-Dollar Covid-Test und 14 US-Dollar Bearbeitungsgebühr. Hinzu kamen 160 US-Dollar für die Reiseagentur. Alles pro Person. Somit war es für uns das teuerste Land im Verhältnis zum Zeitraum, nämlich genau ein Tag, bzw. 24 Stunden. Wir schoben nun unsere Räder an dem ganzen Gepäck vorbei in den nächsten Raum. Es musste zum Glück nichts durch den Scanner, aber es sollten diverse Taschen geöffnet werden. Waffen dabei? Drogen dabei? Ja, die üblichen Medikamente, die unser Überleben sichern. Gedanklich bereiteten wir uns schon auf eine lange Radfahrt nach Ashgabat vor. Doch der Fahrer hatte einen großen Transporter dabei, indem wir die Fahrräder samt Taschen und uns selbst unterbringen konnten. Ein bisschen schade, da es bis zur Hauptstadt nur bergab ging. So durften wir die Landschaft aus dem Auto raus genießen. Wie sich herausstellte, waren die ersten 60 km Militärgebiet, wo Radfahren sowieso verboten war.

Vor uns erstrahlte eine große weiße Stadt mitten in der Wüste. Es war kaum Verkehr und wir hatten gelegentlich den Eindruck das einzige Auto in der Stadt zu sein. Mit maximal erstaunten Blicken betrachteten wir die Stadt. Denn es war einfach nur alles weiß mit Gold verziert. Sogar die Straßenlaternen waren weiß und gold. Die wenigen Autos, die hier fuhren, waren ebenfalls weiß. Vereinzelnd auch mal silber. Denn der amtierende Präsident hat andersfarbige Autos in der Stadt verboten. Er selbst zeigte sich auch komplett in weiß und bevorzugt seine Auftritte in weißen Räumen oder weißen Hintergrund. Sein Portrait hängt fast in jedem Gebäude, bin ich froh, dass wir den Trend in Deutschland nicht haben - überall Olaf Scholz wäre sehr irritierend. Auf den Straßen war kein Müll zu finden. Alles war sehr sauber und ordentlich. Der Rasen hatte überall die gleiche Länge und jeder Baum war beschnitten. Es wirkte fast schon "steril". Alles sah aus, wie gerade frisch aufgebaut. Tatsächlich ist Ashgabat in dieser Form gerade mal 30 Jahre alt. In den absolut perfekten Parks stehen überall Springbrunnen und es türmten sich überall prachtvolle Denkmäler in allen Formen und Größen. Natürlich in weiß und gold. Sowas hatten wir noch nie gesehen. Für uns einfach nur unbegreiflich, überaus erstaunlich und völlig absurd zugleich. Die einzigen anderen "Farbkleckse" fand man nur in der Beschilderung oder vereinzelnd mal auf kleineren Statuen, Gemälden oder Schriftzeichen. Die würde man wahrscheinlich sonst in dieser weißen Marmorwüste übersehen.

Wir fuhren direkt zu der Reiseagentur Owadan Tourism. Hier gab es Tee und es wurden erstmal Fotoalben vom Land und den Touren der Reiseagentur präsentiert. Einerseits schade, was wir hier alles verpassen, denn das Land hat auch landschaftlich einiges zu bieten. Andererseits reisen wir lieber eigenständig in unserer Geschwindigkeit ohne ständig einen Aufpasser dabei zu haben. Und es wäre auch einfach viel zu teuer. Die Agentur hatte in einem Raum noch ein Museum, wo man ein kleinen Einblick in die Turkmenische Kultur bekam.

Wir bekamen Aygul, einen englischsprachigen Guide zur Seite. Sie sprach wirklich sehr gutes Englisch und sie würde uns ein wenig die Stadt zeigen und uns anschließend im Zug nach Turkmenabad begleiten. Klar, wenn wir schon mal hier sind, dann wollen wir so viel wie möglich sehen. Zuvor sollten wir aber unsere Fahrräder zum Bahnhof bringen, wo man sie wiegen würde. Es sollte 3 US-Dollar pro 10 Kilo kosten und jede angefangene 10 Kilo werden voll berechnet. So versuchten wir, genau so viele Dinge am Rad zu lassen, um auf genau 20 Kilo zu kommen. Die ganze Aktion war allerdings eher ein schlechter Witz. Die Waage war viel zu klein und man konnte die Fahrräder nicht wirklich wiegen. Der Lenker lag auf dem Boden auf und bei jeder auch nur leichten Bewegung gab es ein anderes Ergebnis. Es wurde einfach nur so lange hin und her geschoben, bis man irgendwie unter 20 Kilo kam. Des weiteren machten gerade Laura und ich uns Gedanken, wie die Räder denn nun verstaut werden. Wie wir schon in anderen Ländern festgestellt hatten, gehen die Menschen nicht gerade sorgsam mit fremden Fahrrädern um, wenn es ums Verpacken oder Verstauen geht. Wenn was verbiegt oder abbricht, ist es für die eben dumm gelaufen, für uns aber eine Katastrophe. Und an gescheite Ersatzteile war hier nicht zu denken. Wir teilten unsere Sorge und machten klar, dass das alles ist, was wir gerade besitzen würden. Mit große Augen gab man uns die Erlaubnis, unsere Fahrräder selbst zu verstauen, wenn wir rechtzeitig da sein würden. Das beruhigte uns sehr und so konnten wir unsere Sightseeing Tour genießen. Es ging mit unserem Tour Bus weiter und wir konnten weiterhin die prachtvolle weiße Stadt bestaunen. Irgendwie hatte ich den Drang permanent Fotos zu machen, denn jedes einzelne Gebäude (abgesehen von den Wohnblöcken) war einzigartig schön. Ab und zu bekamen wir den Hinweis in bestimmte Richtungen keine Fotos zu machen, weil dort eine Reihe von Regierungsgebäuden standen. Wir besuchten diverse Parks, wo wieder die gigantischen Denkmäler in den Himmel ragten. Einige davon wurden sogar von einem Sicherheitsdienst bewacht, der bei der Hitze den ganzen Tag in der Sonne stand (wurde aber permanent mit Wasser versorgt).

Da wir natürlich noch was essen mussten, besuchten wir noch eine Mall, wo sich diverse Fastfoodketten aneinander reihten. Hier wurden wir dann mal mit den Preisen konfrontiert. Anders als den umliegenden Ländern hatte man hier keine Scheine mit unzähligen Nullen und die Währung schien hier sehr stabil zu sein. Die Preise waren ähnlich wie in der Schweiz, was wir nicht gedacht hätten. So kostete uns eine schlanke Fast-Food Mahlzeit etwa 16 US-Dollar. Durch den Iran waren wir anderes gewohnt. Da zahlten wir für so eine Mahlzeit vielleicht 1 - 2 US-Dollar. Unser Guide hat noch ein paar Snacks und ein bisschen Frühstück eingekauft und dann ging es schon wieder zum Bahnhof. Das Gepäck musste erstmal zu unserem Wagon gebracht werden, der aber sehr weit weg war. Juli versuchte zusammen mit unserem Guide im Wagon Nummer 13 unser Gepäck in das kleine 4-Bett-Abteil zu quetschen. Laura und ich eilten in der Zeit zu den Fahrädern, um sie in den Frachtwagon zu verladen. Dieser war einfach komplett leer und es gab nichts, wo man die Fahrräder hineinstecken und anschließen konnte. Laura hat für ihre große Tasche einen langen Spanngurt dabei und so befestigten wir alle 3 Räder an den Gitterstäben vom Fenster. Ansonsten würden sie wahrscheinlich in dem leeren Wagon einfach nur umfallen und hin und her rutschen. Wir eilten zurück zu unserem Abteil. Das meiste davon konnte unter die unteren Betten verstaut werden. Erleichtert saßen wir beisammen und teilten Getränke und Snacks.

Der Zug war nicht besonders schnell, so dass ich wahrscheinlich mit dem Rad hätte nebenher fahren können. Nachdem man diese außergewöhnlich saubere und ordentliche Stadt gesehen hatte, hat man irgendwie erwartet, dass der Zug modern und sauber sein würde. Dem war leider nicht so. Der Zug ist schon ein wenig in die Jahre gekommen, es klapperte an manchen Ecken und das Klo möchte man am liebsten meiden. Die Betten waren gerade groß genug, dass man bequem darauf liegen konnte. Der Zug sollte erst um etwa 09:00 Uhr in Turkmenabad ankommen, also genug Zeit zum schlafen. Das brauchte man auch, da man öfter mal durch laute Geräusche oder das Gewackel wach wurde. Am nächsten Morgen nach einem kleinen Frühstück räumten wir wieder alles aus dem Zug. Radfahren durften wir wieder nicht und so brachten wir wieder alles zu einem Transporter. Um ehrlich zu sein waren wir auch bisschen froh darüber, nicht fahren zu müssen. Wir waren durch den gestrigen Tag und die Zugfahrt ziemlich geschafft. Hinzu kamen die Temperaturen und wir hatten noch einen Grenzübergang vor uns. Alles in allem war Turkmenistan eine kurze, aber dennoch interessante Erfahrung. Wir hätten gerne mehr vom Land gesehen, aber die aktuellen Umstände, sowie unser Budget ließen dies nicht zu. Aygul, unser Guide, teilte uns mit, dass die Regierung daran arbeitet, den Zugang für Touristen zu erleichtern. Das wird aber wohl erst in 2 Jahren der Fall sein.


99 Ansichten0 Kommentare
bottom of page