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  • AutorenbildJuli

Schlammparty im Kaukasus

Wir wollten uns durch den Diebstahl und dem schlechten Wetterbericht nicht die Stimmung vermiesen lassen und fuhren trotzdem in den großen Kaukasus: das Gebirge, welches Georgien von Russland trennt. Da meine Ortlieb Tasche fehlte, ging es mit dem Ersatz eines Eimers vorerst weiter, mal schauen wie lange der so hält. Nach 20km wurden wir von einem Transporter bedrängt anzuhalten. Etwas genervt löste ich die Kopfhörer aus den Ohren. Eigentlich passiert es öfter mal, dass wir angehalten werden. Dabei werden gefragt, ob wir irgendwas benötigen oder man will uns den Weg zeigen. Manchmal sind wir genervt, da diese penetrante Art der Hilfe oft den Eindruck erweckt, als seien wir zwei hilflose Radfahrer, die auf der Suche nach Essen und Wasser vom Weg abgekommen sind. Aber wie immer sind wir freundlich, halten an und hören uns an was sie von uns wollen.

Diese beiden Herren im Transporter wollten uns wohl unbedingt mitnehmen. Sie haben uns bereits in Poti gesehen und waren wohl sehr neugierig. (Ich war im Insgeheimen dankbar mitgenommen zu werden) Und so sprangen wir in den Transporter. Marc musste unbedingt mit den beiden Herren vorne sitzen. Was ihm gar nicht so recht war, denn die beiden Herren rochen doch etwas streng und Konversation konnte eh nicht betrieben werden. Entspannt legte ich mich zurück, aber keine 5 Minuten später wurden mir ein Haufen Wildäpfel, die gerade am Straßenrand gekauft wurden, in den Schoß gelegt. Danach redete der Fahrer nur noch von Vodka, Vodka. Als wir in der Stadt Zugdidi ankamen, stiegen wir dankend aus und freuten uns nun gemütlich Mittagessen zu gehen. Aber wir mussten beim Transporter stehen bleiben, der mitten auf dem Marktplatz parkte. Neben uns wurden direkt Hühner und Küken verkauft. Ich bekam ein leckeres Blätterteig-Käse Brot in die Hand gedrückt und Marc wurde verdonnert, Arm in Arm mit dem Fahrer Vodka zu kaufen. Wir trinken so gut wie gar keinen Alkohol hier, somit war das echt hart für uns. Es gab fast ein halbes Glas Vodka, immerhin gefolgt von Sprudelwasser. Die 40% ließen uns ordentlich durchschütteln. Aber auch hier war Widerspruch zwecklos und wir mussten noch einen zweiten hinterher trinken. Danach machten wir uns aber endgültig aus dem Staub, so gut es eben mit Marc ging (der nicht mehr so ganz fahrtüchtig war und ordentliche Schlangenlinien hinlegte). Ihm bekamen die Schnäpse absolut nicht und wir mussten erstmal eine Pause mit Pizza machen. Es lagen noch 30km vor uns und diese waren leicht angeheitert etwas zäh. Als wir in unserem Gasthaus ankamen, begrüßte uns ein bekanntes Gesicht: Lou, eine Australierin, die wir bereits aus Poti kannten. Auch sie hatte dieselbe Strecke mit dem Rad geplant wie wir. Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten gab es von der Gastgeberin Vodka zur Begrüßung. Nicht schon wieder dachten wir. Das ließ uns jedenfalls gut schlafen, trotz der Geräuschkulisse, die aus Hunden, Hühnern und Truthähnen bestand. Am Morgen fielen uns fast die Augen aus dem Kopf als sie uns den Vodka sogar auf den Frühstückstisch stellte. Zum Glück kamen wir aber drumherum. Die Küche ist hier wirklich sehr herzhaft und gesund (wenn man den Vodka weglässt), wir wurden auf alle Fälle gut satt.

Anschließend ging es dann den Kaukasus hoch. Zuerst passierten wir den beeindruckenden Enguri-Staudamm. Es war einmal der zweithöchste Staudamm der Welt, wurde aber mittlerweile von anderen Ländern getoppt. Das Wetter war heute sehr wechselhaft, wir hatten eigentlich ständig leichten Regen und kurz danach wieder Sonnenschein, der uns trocknete. Auf dem Weg trafen wir noch Sandra und Martin aus Kappadokien, die gerade eine geführte Tour durch den Kaukasus machten. Ein kurzes aber sehr schönes Wiedersehen! Weiter ging es hoch und runter an dem riesen Enguri-Stausee entlang. Trotz der dichten Wolken konnte man sich nicht an der schönen Landschaft satt sehen. An diesem Abend trauten wir uns tatsächlich wieder mal draußen zu schlafen und fanden Dank der App "iOverlander" einen tollen Zeltplatz mitten im Wald. Keine Menschenseele war hier und wir fühlten uns sicher. Natürlich versteckten wir noch unsere Essenstasche sorgfältig, um keine Bären in der Nacht anzulocken und schliefen eigentlich sehr gut. Zwei Tage später stellte sich raus, dass Lou, die Australierin, keine 100 Meter weit weg von uns campte. Sie hörte sogar unsere Stimmen, als wir vorbei gingen. Sie war aber so gut versteckt, dass wir sie nicht gesehen haben und sie wusste nicht wer wir waren und blieb daher in ihrem Versteck. Sicher ist sicher.

Dann hatten wir unsere letzte Etappe mit einigen Höhenmeter bis zum Zentrum des Touristengeschehens in Mestia. Bei dem Wetter wurden wir ganz schön nass auf dem Weg und sahen auch nicht die tollen Berge um uns herum. Wir checkten in ein Gasthaus ein, in dem wir ganze 4 Nächte blieben. Denn wir hatten Zeit und mussten einiges erledigen. Zudem wollten wir wandern und trafen uns mit anderen Bikepackern. Wir wählten eine schöne aber anspruchsvolle Wanderung zu 3 Seen über der Baumgrenze. Es ging steil durch den dichten Wald, grüne Wiesen und Schneefelder nach oben. Wir hatten richtig Glück, denn das Wetter meinte es heute gut mit uns. Die Temperatur war sehr angenehm und die Sonne kam immer wieder durch. Ganz oben auf 2800 Meter waren die Seen noch zugefroren und teils mit Schnee bedeckt, sahen aber trotzdem wunderschön aus. Und das Beste war: wir hatten eine 360° Sicht mit weißen Bergketten um uns. Es war wirklich atemberaubend. Der Abstieg war dann jedoch sehr mühsam und unsere Knie schmerzten. Wir verfluchten uns, dass wir auf halber Höhe die Angebote der Taxifahrer ausschlugen. Unten entdeckten wir dann noch den anderen Teil von Mestia mit den alten aus Stein gebauten Häuser und den ganzen swanetischen Türmen, die früher als Verteidigungstürme verwendet wurden. Ein wirklich schöner Ort zum Verweilen. Leider beschwerte uns diese kleine Wanderung den Muskelkater des Todes, der die nächsten Tage sehr schmerzhaft werden würde. Denn nach einem Pausentag konnten wir uns kaum bewegen, besonders Treppen und auf Toilette gehen musste weitestgehend vermieden werden.

Den darauffolgenden Tag starteten wir dann mit Lou den Zagari Pass. Wir wurden bereits gewarnt, dass es hart und schlammig werden würde. Autos und Motorräder kommen derzeit nicht durch. Am ersten Tag war nur eine Distanz von 40 Kilometer bis nach Ushguli geplant. Der größte Teil war hier noch völlig OK und es regnete zum Glück kaum. Dann verwandelten sich aber langsam die Straßen in Matschwege. Ushguli ist mit 2150 Meter eines der höchsten Bergedörfer. Hier liegt bis zu 6 Monate lang Schnee, weswegen es im Winter oftmals von der Zivilisation abgeschnitten ist. Von dort aus kann man den höchsten Berg Georgiens, den Schchara (5201 m) sehen. Hier gibt es jede Menge Gästehäuser, Restaurants und Touristenattraktionen wie Pferdereiten. Wir waren so froh, dass wir wieder im Gästehaus waren, denn es regnete die ganze Nacht wie aus Eimern inklusive Gewitter - wie eigentlich fast jede Nacht hier oben. Am Morgen um 8 Uhr düsten wir zu dritt weiter zum schwierigen Teil des Passes. Sehr dazu mehr in unserem Video:

Es war die reinste Schlammparty und zudem noch super kalt, aber wir waren trotzdem sehr stolz es geschafft zu haben. Dann ging es noch auf einer Rutschpartie runter, denn auch hier war die Straße noch bestimmt 20 km nicht ganz einfach. Auch Flüsse mussten überquert werden, wodurch mir fast die Füße abgefallen sind, so kalt war das Wasser. Die Fahrradketten knirschten bei dem ganzen Schlamm. Doch plötzlich kam sogar die Sonne raus und ein Gasthaus lag perfekt auf dem Weg. Dort wurde erstmal alles gewaschen und Abendessen bestellt, welches wir uns echt verdient hatten. Das war enorm lecker und so genossen wir noch ein bisschen die Ruhe. Die Nächte in den Gästehäuser sind immer etwas speziell, man wohnt meist direkt bei der Familie. Und die Häuser sind absolut nicht schallgedämmt. Sobald jemand durchs Haus geht spürt man jeden Schritt im eigenen Bett. Man hört jedes Gespräch und auch das Schnarchen im Nachbarzimmer. Außerdem wurde hier noch mitten in der Nacht gebacken und die leckeren Düfte zogen direkt in unser Zimmer. Natürlich bellen auch immer Hunde in der Ferne oder Kuhglocken weckten uns um 6 in der Früh. Da sind Zeltnächte oft viel ruhiger. Nichtsdestotrotz starteten wir am nächsten Morgen gut gelaunt, denn der Himmel war wolkenlos und die Sonne strahlte uns an. Wir fuhren den ganzen Tag ein wunderschönes grünes Tal hinunter, wo auch ein paar kleine Hügel dabei waren. Hier trennten sich unsere Wege - Lou musste nach Tiflis (Hauptstadt von Georgien) und wir fuhren wieder Richtung Schwarzes Meer. Es war schön auch mal zu dritt unterwegs zu sein.



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