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  • AutorenbildJuli

Kleine Balkanrunde

Da wir am 06.04. Besuch und Reisebegleitung bekommen sollten, hatten wir noch etwas Zeit totzuschlagen. Marc kam auf die Idee, ein kleinen Abstecher nach Bulgarien und Nordmazedonien zu machen und wählte eine entsprechende Route. Ich war anfangs nicht wirklich angetan, schaute in den Reise-Apps nach empfohlenen Orten oder Sehenswürdigkeiten und fand nichts davon. Demnach dachte ich es werden wahrscheinlich ziemlich öde Landschaften sein und hatte eventuell auch so meine Vorurteile den Ländern gegenüber. Vor allem Nordmazedonien hätte ich vorher nicht einmal auf der Karte zuordnen können. Irgendwie wussten wir so gar nichts von dem Land - außer dass es nicht zur EU gehörte. Deswegen waren wir gespannt, wie uns der Zeitvertreib in den beiden Ländern so gefallen würde.

Gegen Mittag legten wir mit der Fähre von Limnos in Kavala an und fuhren schnurstracks Richtung Norden zur bulgarischen Grenze. Es ging den Bergen entgegen und somit gingen auch die Temperaturen nach unten. Die Überquerung der Grenze nach Bulgarien verlief sehr unkompliziert, EU sei dank. Da die Grenze aus einem Tunnel durch einen Berg bestand und wir diesen durchquerten, erstreckte sich vor uns eine wunderschöne Landschaft: eine Ebene, die komplett von Bergen eingekesselt war. Auf einigen Bergspitzen lag noch Schnee, was einfach herrlich aussah. Direkt hinter der Grenze entdeckten wir auch eine kleine Raststelle. Überdacht fand man hier einen Brunnen mit Tisch und Stühlen und sogar einer Tischdecke. Außerdem war ein kleines Schränkchen angebracht mit Besteck und Geschirr. Solche süßen kleinen Raststätten sahen wir noch öfters in den beiden Ländern.

In der 1. größeren Stadt wurde dann erstmal Geld gewechselt, denn in Bulgarien gibt es noch den bulgarischen Lew. Dann steuerten wir einen tollen Crêpe-Laden an, der laut den Bildern hervorragendes Essen hatte. Die Verständigung war sehr schwierig; wir natürlich kein Wort Bulgarisch und das Gegenüber kein Wort Englisch. Aber gut, dass deren Karte Bilder hatte. Der Crêpe schmeckte fantastisch und plötzlich streckte mir die Besitzerin ihr Handy in die Hand: an der Leitung war ihr Mann, der viele Jahre in Schwäbisch Hall gelebt hatte. Er erklärte mir, dass wir hier selbstgemachte Käsespezialitäten vom eigenen Hof auf dem herzhaften Crêpe hatten. Ich bestellte uns direkt am Telefon noch 2 süße Crêpe als Nachtisch.

Auch diese schmeckten hervorragend, waren aber eine fatale Entscheidung gewesen: die nächsten 15 km ging es nämlich 1000 Höhenmeter nach oben und mir war ganz übel von dem vielen Käse - Nutella - Mix in meinem Magen. Ganz oben war ein Mini-Dorf und wir bauten schnell unser Zelt auf und aßen nur noch eine Scheibe Brot. Gegen 3 Uhr nachts wurde ich plötzlich wach, ein Hund bellte nervtötend und eine Männerstimme rief leise. Außerdem sah ich den Taschenlampenschein an unserem Zelt vorbeihuschen und weckte Marc - der total genervt reagierte. Er mochte es gar nicht geweckt zu werden und schlief auch zugleich wieder ein. Für ihn war es völlig normal, dass ein Mann nachts um 3 Uhr auch mal seinen Hund suchen würde. Naja, irgendwann nachdem ich lange nichts mehr hörte, schlief ich auch ein. Am Morgen wurden wir dann von einem süßen Hund geweckt, der für ein Leckerli sogar Kunststücke aufführte.


Danach ging es 30 km nur bergab, eine tolle Abfahrt mit genialer Schwarzwaldoptik. Unten in einem Dörfchen rief es uns plötzlich von der Straßenseite entgegen: zwei strahlende Blondschöpfe winkten uns aufgeregt herbei. Ein englisches Pärchen auf den Rädern wie wir, die anscheinend noch nie andere Bikepacker getroffen haben. Sie gaben uns den wertvollen Geheimtipp, dass nur 13 km von unserem heutigen Ziel (die Stadt Petrich) heiße Quellen zu finden waren. Sowas lassen wir uns nicht zweimal sagen und ließen Komoot eine Route dorthin legen. Zum Glück hatten wir heute noch etwas Zeit und auf ging es zu den Quellen. 2 km vorher standen wir plötzlich vor Zugschienen, aber laut unserer Route mussten wir genau den Schienen folgen. Und da es keinen anderen Weg gab (außer alles zurück) und wir tatsächlich einen Trampelpfad daneben entdeckten, schoben wir die Räder über die Gleise und den Pfad entlang. Dann ging es auch noch über eine Brücke, die wirklich nicht mehr ganz so stabil und TÜV geprüft aussah, aber wir konnten erfolgreich passieren. Auf der Brücke zwischen den Schienen saß sogar ein Angler, der uns freundlich grüßte - als wäre es das normalste der Welt. Nach der Brücke hörte ich plötzlich den Zug, die Schienen wurden tatsächlich befahren. Gut konnten wir in dem Moment weit ins Gras ausweichen, sodass keine Gefahr bestand. Der Zug tuckerte dann ganz entspannt mit 8km/h an uns vorbei und wir hatten es dann auch etwas genervt geschafft. Aber der Weg hatte sich wirklich gelohnt, wir waren an den heißen Quellen. Es waren unterschiedliche Becken mit verschiedenen Temperaturen. Zudem gab es Schlamm, den sich fast alle auf den Körper schmierten. Die Becken wurden mit kleinen Bächen mit dem Heißwasser versorgt. Ich lief in eines der Bächlein, weil ich dachte es sei dieselbe Temperatur als das Becken, in dem ich zuvor saß. Aber weit gefehlt, nach einer Millisekunde war mein Fuß wieder draußen und pochte von der leichten Verbrennung, die ich mir davon geholt hatte. Das war nicht so schön. Marc ging dann noch in ein sehr heißes Becken, welches bestimmt über 40°c hatte, denn sein Körper war danach knallrot und ihm wurde auch etwas weich in den Beinen. Leider fing es dann plötzlich an aus Eimern zu schütten. Glücklicherweise hatten wir für die kommende Nacht eine Unterkunft und waren durch die Quellen sehr aufgeheizt, somit waren die restlichen 15km im strömenden Regen gar nicht so schlimm.

Nach 7 Tagen gab es dann endlich mal wieder eine heiße Dusche. Und am Abend ging es dann noch bulgarisch essen - wir wollen ja die Kultur kennenlernen. Aber dieses Essen hat uns nicht ganz so geschmeckt, aber es konnte auch daran liegen, dass wir die kyrillische Karte trotz Übersetzungsapp nur mäßig entziffern konnten und etwas einigermaßen Bekanntes bestellten. Was in den Städten noch besonders ins Auge stach waren die Spielhallen. Überall wimmelte es sowohl in Bulgarien als auch in Nordmazedonien davon und sie waren sehr präsent mitten im Stadtzentrum anzutreffen.

Bulgarien war schon ein bisschen, wie man es sich eben so vorstellt. In den kleinen Dörfern, die wir durchquerten, traf man eher ältere, gebückte Menschen bzw. Bauern und Bäuerinnen an. Sie waren freundlich zu uns, aber auch nicht sonderlich interessiert. Nur in den Städten trifft man die jüngere Generation, die ziemlich modern und mit starkem Schönheitsideal auftritt: vor allem die jungen Mädchen waren völlig aufgetakelt und völlig überschminkt (aus unserer Sicht bzw. anderes Schönheitsideal eben).

Nach der verregneten Nacht in Petrich ging es direkt an die Grenze. Es war einer dieser Tage, an denen man wirklich stark in sich kramen musste, um Motivation zum Radfahren zu finden: die Klamotten und Schuhe waren noch nass und der Himmel vorerst noch dunkel. Beide plagten uns auch noch Kopfschmerzen am Morgen. Kurz vor der Grenze begeisterte uns noch ein einsamer Stand mit vielerlei hausgemachten Köstlichkeiten, bei dem es bestimmt 5 verschiedene Honigsorten gab. Da mussten wir noch zuschlagen. Als wir dann die Grenze und Bulgarien mit seinen schönen weißen Bergspitzen verlassen haben, wurden wir vom Zollbeamten mit "Deutschland über alles" gegrüßt und einfach weiter gewunken. Die Sonne kam immer weiter heraus und plötzlich war einfach alles um uns herum grün. Und die Lust zum Radfahren war somit auch wieder da. Zuerst sahen wir, was man eben so erwartet in einem Land wie Nordmazedonien: einen Karren mit einem Esel vorgespannt - das Vorurteil sofort bestätigt. Dann erreichten wir das erste Dorf und staunten nicht schlecht. Da standen richtig schöne Häuser mit gepflegten Gärten, sogar 1-2 Pools waren in den Gärten vorzufinden. Viele der Anwohner arbeiteten im Garten (es war Sonntag) und alle grüßten uns freundlich. Störche segelten über unsere Köpfe und überall krähte der Hahn oder ein paar Hunde bellten. Wir gönnten uns zwei Cappuccino für 200 Denar (3,25€) in der Cafémeile in Strumica (die fast einer Partystraße mit lauter Musik glich, es war Sonntagnachmittag) und genossen das Treiben um uns herum. Wir hatten uns Nordmazedonien nicht so fortschrittlich vorgestellt, aber es sah eigentlich aus wie jede andere Stadt in Europa. Anders wie in Griechenland, wo praktisch aus jedem Haus noch die Moniereisen steckten, da so keine Steuer für das fertige Haus anfiel, waren hier oftmals die oberen Stockwerke nicht ausgebaut (keine Fenster und Türen), aber das Haus war bereits in einem der favorisierten Farben (gelb, mintgrün oder flieder war wohl der Renner hier) angestrichen. Danach fuhren wir weiter und stoppten noch bei einem traditionellen Gasthaus. Auch hier war die Verständigung wieder schwierig und da wir auch nicht auf die Technologie zurückgreifen konnten, da wir kein Internet hatten, konnten wir nur Grill, Pommes und Salat verstehen. Es schmeckte ganz wunderbar, vor allem mal wieder einen Salat zu essen. Leider war es für uns doch wohl etwas zu viel Fleisch, denn besonders Marc fühlte sich kurze Zeit später gar nicht gut. Vegetarisches Essen zu bestellen gestaltet sich bei der Sprachbarriere eher schwierig.

An unserem letzten Tag in Nord Mazedonien erreichten wir schon um 9 Uhr unser Dorf am Dojansee, denn es war für den ganzen Tag Dauerregen vorhergesagt. Wir gönnten uns ein langes Frühstück um die Zeit zum Einchecken in die Unterkunft zu überbrücken. Wir hatten ein schönes Apartment, wo wir es uns so richtig einheizten um unsere Klamotten und unser Zelt wieder trocken zu bekommen. Danach gingen wir noch hervorragend Essen im besten Lokal der Stadt. Es gab Burger und Risotto für insgesamt 15 Euro, echt ein guter Preis.


Nach dem heftigen Regentag in Nordmazedonien erreichten wir früh die Grenze und waren schon wieder in Griechenland. Wir hatten mal wieder eine ordentliche Brise, aber Gott sei Dank von hinten. Somit haben wir heute auch die 5000km geknackt, die wir seit November zurückgelegt hatten. Schon gegen 16 Uhr erreichten wir unseren Campingspot für die Nacht: ein verlassenen Hotelkomplex an einem See.

Wirklich sehr traurig, wie solche Orte einfach zerfallen, es war bestimmt mal ein tolles Naherholungsgebiet direkt am See. Wir erhofften uns Windschutz für die Nacht und fanden auch einen Raum im 2. Stock, der noch einigermaßen gut aussah und sich als Nachtlager eignete. Beim Herumstreifen und Erkunden der zerfallenen Häuschen begrüßte uns einer kleiner, etwas verstörter Welpe. Ich wunderte mich schon, wo die anderen waren, denn vor allem Hundewelpen sind selten allein. Gut haben wir immer etwas Hundefutter dabei, um ein paar leere Mägen zu füllen. Kaum bekam sie ein paar Happen, folgte sie mir auf Schritt und Tritt. Und plötzlich entdeckten wir ihre Schwestern, die zusammengekauert auf einer Decke in einem windgeschützten mit Kot bedecktem Raum lagen. Anders wie sonstige Welpen schauten diese komplett ängstlich und ließen sich auch nicht von uns anfassen. Sie sahen wirklich nicht gut aus, voller Zecken und liefen ganz taumelnd und kraftlos. Wir hofften, dass die Mama bald kam und sie mit Essen versorgte. Wir entspannten ein wenig und die Welpen suchten unsere Nähe und entspannten mit uns in der Sonne. Irgendwann dämmerte es uns, dass die Welpen ausgesetzt wurden, da keine Mutter weit und breit zu sehen war und sie ja auf einer Decke lagen. Sie waren so zuckersüß, wie sie sich immer zueinander legten, da wurde es einem ganz warm ums Herz.

Zu Abend wurde dann mehr gekocht, damit wir die Kleinen mitversorgen konnten. Das endete aber in einer blutigen Nase, da sie so ausgehungert waren und richtig böse ums Essen kämpften. Aber keine 2 Minuten später lagen sie wieder in einander gekuschelt in einem Körbchen, was Marc in der Zwischenzeit gebastelt hat. Dieser Transport-Korb mit einer Decke wurde auch direkt als Schlafplatz angenommen. Die Nacht war sehr turbulent, wir sorgten uns sehr um die 3 Kleinen und wussten gar nicht wohin wir sie bringen konnten. Auf jeden Fall war klar, dass sie hier verhungern würden. Wir kontaktierten noch jegliche Organisationen bis tief in die Nacht, aber das ergab leider nicht viel. Aber wir bekamen Adressen, die aber erst in Thessaloniki waren, was noch 50 km entfernt war. Die Nacht wurde außerdem von einer Maus gestört, die in unserem "Schlafzimmer" herumtobte. Wir hatten das Zelt nicht aufgebaut, und daher sprang diese nachts auf unseren Schlafsack. Sie gingen an unsere Tassen und Besteck und drehte sogar an den Pedalen. Sie knabberte auch am offenen Käse, den Marc dann nachts aus dem Fenster warf, weil wir alle 5 Minuten davon wach wurden. Am Morgen ging es erstmal zu den Kleinen, diese hatten die Nacht gut überstanden und freuten sich über ihr Frühstück. Nachdem auch wir auch gefrühstückt hatten, bereiteten wir den Transport vor. Wir wollten die Tierchen zumindest ins nächste Dorf bringen, welches 5 km weg war und hoffen, dass wir sie da bei jemandem lassen können. Die Fahrt war für mich anstrengend, da ich zusätzlich den Rucksack auf dem Rücken hatte. Aber es war einfach so süß, die 3 Welpen im Korb zu beobachten. Sie waren ganz brav und scheinbar genossen sie sogar den kleinen Ausflug. Im Dorf steuerten wir den Marktplatz an und kehrten in einem Café ein. Direkt wurden wir auf deutsch angesprochen und ein netter Herr agierte als Vermittler und sprach sämtliche Leute für Hilfe mit den Welpen an. Keine 20 Minuten später war der Retter da: ein netter Mann, der die Welpen bis zum Abend nimmt und sie dann seiner Bekannten, der Tierärztin des Dorfes übergab. Er hat anscheinend schon über 100 Hunde vermittelt. Er bezahlte uns sogar den Kaffee und kaufte direkt Hundefutter. Die 3 bekamen dann erstmal ein schönes ruhiges Plätzchen in der Sonne am alten Bahnhof. Wir fuhren ruhiges Gewissens weiter, denn die 3 waren wieder in guten Händen.

An diesem Tag fuhren wir dann durch Thessaloniki. Wir hatten eine Warmshower - Unterkunft bei einer Familie ganz in der Nähe des Flughafens. Dort durften wir sogar im Bett des Ehepaares schlafen und diese nächtigten auf dem Sofa. Die Nacht war ruhig und früh um 7 Uhr verließen wir mit der Familie das Haus. Nach einem kleinen Frühstück in einem Café ging es direkt zum Flughafen um David abzuholen. Marc's Kumpel aus der Bundeswehrzeit wollte uns die nächsten zwei Wochen nach Istanbul begleiten.



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